|
Das
fremde Kind
Kapitel 13: Wie der Herr von Brakel den Magister Tinte fortjagte, Seite 1 ( von
3 )
ETA Hoffmann
Der Herr von Brakel und die Frau von Brakel, beide saßen vor der
Türe ihres kleinen Hauses und schauten in das Abendrot, das schon hinter
den blauen Bergen in goldnen Strahlen aufzuschimmern begann. Vor ihnen stand
auf einem kleinen Tisch das Abendessen aufgetragen, das aus nichts anderm als
einem tüchtigen Napf voll herrlicher Milch und einer Schüssel mit
Butterbroten bestand. "Ich weiß nicht," fing Herr von Brakel
an, "ich weiß nicht, wo der Magister Tinte so lange mit den Kindern
ausbleibt. Erst hat er sich gesperrt und durchaus nicht in den Wald gehen
wollen, und jetzt kommt er gar nicht wieder heraus. Überhaupt ist das ein
ganz wunderlicher Mann, der Herr Magister Tinte, und es ist mir beinahe so, als
sei es besser gewesen, er wäre ganz davongeblieben. Dass er gleich anfangs
die Kinder so heimtückisch stach, das hat mir gar nicht gefallen, und mit
seinen Wissenschaften mag es auch nicht weit her sein, denn allerlei seltsame
Wörter und unverständliches Zeug plappert er her und weiß, was
der Großmogul für Gamaschen trägt; kommt er aber heraus, so
vermag er nicht die Linde vom Kastanienbaum zu unterscheiden und hat sich
überhaupt ganz albern und abgeschmackt. Die Kinder können
unmöglich Respekt vor ihm haben." "Mir geht es," erwiderte
die Frau von Brakel, "mir geht es ganz wie dir, lieber Mann! So sehr es
mich freute, dass der Herr Vetter sich unserer Kinder annehmen wollte, so sehr
bin ich jetzt davon überzeugt, dass das auf andere und bessere Weise
hätte geschehen können, als dass er uns den Herrn Magister Tinte
über den Hals schickte. Wie es mit seinen Wissenschaften stehen mag, das
weiß ich nicht, aber so viel ist gewiss, dass das kleine schwarze, dicke
Männlein mit den kleinen dünnen Beinchen mir immer mehr und mehr
zuwider wird. Vorzüglich ist es garstig, dass der Magister so entsetzlich
naschhaftig ist. Keine Neige Bier oder Milch kann er stehen sehen, ohne sich
darüber her zu machen, merkt er nun vollends den geöffneten
Zuckerkasten, so ist er gleich bei der Hand und schnuppert und nascht so lange
an dem Zucker, bis ich ihm den Deckel vor der Nase zuschlage; dann ist er auf
und davon und ärgert sich und brummt und summt ganz seltsam und
fatal." Der Herr von Brakel wollte fortfahren im Gespräch, als Felix
und Christlieb in vollem Rennen durch die Birken kamen. "Heisa! -
heisa!" schrie Felix unaufhörlich, "heisa, heisa! der
Fasanenfürst hat den Herrn Magister Tinte totgebissen!" "Ach -
Ach, Mama," rief Christlieb atemlos, "ach! - der Herr Magister Tinte
ist kein Herr Magister, das ist der Gnomenkönig Pepser, eigentlich aber
eine abscheuliche große Fliege, die eine Perücke trägt und
Schuhe und Strümpfe." Die Eltern staunten die Kinder an, die nun ganz
aufgeregt und erhitzt durcheinander von dem fremden Kinde, von seiner Mutter,
der Feenkönigin, von dem Gnomenkönig Pepser und von dem Kampf des
Fasanenfürsten mit ihm erzählten. "Wer hat euch denn die tollen
Dinge in den Kopf gesetzt, habt ihr geträumt, oder was geschah sonst mit
euch?" So fragte Herr von Brakel ein Mal über das andere; aber die
Kinder blieben dabei, dass sich alles so zugetragen, wie sie es erzählten,
und dass der hässliche Pepser, der sich für den Herrn Magister Tinte
fälschlich ausgegeben, tot im Walde liegen müsse. Die Frau von Brakel
schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief ganz traurig:
"Ach Kinder, Kinder, was soll aus euch werden, wenn euch solche
entsetzlichen Dinge in den Sinn kommen und ihr euch davon nichts ausreden
lassen wollt!" - Aber der Herr von Brakel wurde sehr nachdenklich und
ernsthaft. "Felix," sprach er endlich, "Felix, du bist nun schon
ein ganz verständiger Junge, und ich kann es dir wohl sagen, dass auch mir
der Herr Magister Tinte von Anfang an ganz seltsam und verwunderlich
vorgekommen ist. Ja, es schien mir oft, als habe es mit ihm eine besondere
Bewandtnis und er sei gar nicht so wie andere Magister.
|
|