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Das
fremde Kind
Kapitel 14: Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte
fortgejagt worden, Seite 1 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Felix und Christlieb atmeten frei auf, als sei ihnen ein schwere drückende
Last vom Herzen genommen. Vor allem dachten sie aber daran, dass nun, da der
hässliche Pepser von dannen geflohen, das fremde Kind gewiss wiederkehren
und so wie sonst mit ihnen spielen würde. Ganz erfüllt von freudiger
Hoffnung, gingen sie in den Wald; aber es war alles still und wie verödet
drin, kein lustiges Lied von Fink und Zeisig ließ sich hören, und
statt des fröhlichen Rauschens der Gebüsche, statt des frohen
tönenden Wogens der Waldbäche wehten angstvolle Seufzer durch die
Lüfte. Nur bleiche Strahlen warf die Sonne durch den dunstigen Himmel.
Bald türmte sich schwarzes Gewölk auf, der Sturm heulte, der Donner
begann in der Ferne zürnend zu murmeln, die hohen Tannen dröhnten und
krachten. Christlieb schloss sich zitternd und zagend an Felix an; der sprach
aber: "Was fürchtest du dich so, Christlieb, es zieht ein Wetter auf,
wir müssen machen, dass wir nach Hause kommen." Sie fingen an zu
laufen, doch wussten sie selbst nicht, wie es geschah, dass sie, statt aus dem
Walde herauszukommen, immer tiefer hineingerieten. Es wurde finsterer und
finsterer, dicke Regentropfen fielen herab, und Blitze fuhren zischend hin und
her! - Die Kinder standen an einem dicken dichten Gestrüpp.
"Christlieb," sprach Felix, "lass uns hier ein bisschen
unterducken, nicht lange kann das Wetter dauern." Christlieb weinte vor
Angst, tat aber doch, was Felix geheißen. Aber kaum hatten sie sich
hingesetzt in das dicke Gebüsch, als es dich hinter ihnen mit
hässlich knarrenden Stimmen sprach: "Dumme Dinger! - einfältiges
Volk - habt uns verachtet - habt nicht gewusst, was ihr mit uns anfangen sollt,
nun könnt ihr sitzen ohne Spielsachen, ihr einfältigen Dinger!"
Felix schaute sich um, und es wurde ihm ganz unheimlich zumute, wie er den
Jäger und den Harfenmann erblickte, die sich aus dem Gestrüpp, wo er
sie hineingeworfen, erhoben, ihn mit toten Augen anstarrten und mit den kleinen
Händchen herumfochten und hantierten. Dazu griff der Harfenmann in die
Saiten, dass es recht widrig zwitscherte und klirrte, und der Jägersmann
legte gar die kleine Flinte auf Felix an. Dazu krächzten beide:
"Wart' - wart', du Junge, du Mädel, wir sind die gehorsamen
Zöglinge des Herrn Magister Tinte, gleich wird er hier sein, und da wollen
wir euch euren Trotz schon eintränken!" - Entsetzt, des Regens, der
nun herabströmte, der krachenden Donnerschläge, des Sturms, der mit
dumpfem Brausen durch die Tannen fuhr, nicht achtend, rannten die Kinder von
dannen und gerieten an das Ufer des großen Teichs, der den Wald
begrenzte. Aber kaum waren sie hier, als sich aus dem Schilf Christliebs
große Puppe, die Felix hineingeworfen, erhob und mit hässlicher
Stimme quäkte: "Dumme Dinger, einfältig Volk - habt mich
verachtet - habt nicht gewusst, was ihr mit mir anfangen sollt, nun könnt
ihr sitzen ohne Spielsachen, ihr einfältige Dinger. Wart' - wart', du
Junge, du Mädel, ich bin der gehorsame Zögling des Herrn Magister
Tinte, gleich wird er hier sein, und da werden wir euch euren Trotz schon
eintränken!" - Und dazu spritzte die hässliche Puppe den armen
Kindern, die schon vom Regen ganz durchnässt waren, ganze Ströme
Wasser ins Gesicht. Felix konnte diesen entsetzlichen Spuk nicht vertragen, die
arme Christlieb war halbtot, aufs neue rannten sie davon, aber halb, mitten im
Walde, sanken sie vor Angst und Erschöpfung nieder. Da summte und brauste
es hinter ihnen. "Der Magister Tinte kommt", schrie Felix, aber in
dem Augenblick vergingen ihm auch sowie der armen Christlieb die Sinne. Als sie
wie aus tiefem Schlafe erwachten, befanden sie sich auf einem weichen Moossitz.
Das Wetter war vorüber, die Sonne schien hell und freundlich, und die
Regentropfen hingen wie funkelnde Edelsteine an den glänzenden
Büschen und Bäumen. Hoch verwunderten sich die Kinder darüber,
dass ihre Kleider ganz trocken waren und sie gar nichts von der Kälte und
Nässe spürten.
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