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Das
fremde Kind
Kapitel 8: Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde
sagten, und was sich weiter mit demselben begab, Seite 1 ( von 2 )
ETA Hoffmann
"Beinahe möcht ich glauben, dass den Kindern das alles nur
geträumt hat!" So sprach der Herr Thaddäus von Brakel zu seiner
Gemahlin, als Felix und Christlieb, ganz erfüllt von dem fremden Kinde,
nicht aufhören konnten, sein holdes Wesen, seinen anmutigen Gesang, seine
wunderbaren Spiele zu preisen. "Denk' ich aber wieder daran," fuhr
Herr von Brakel fort, "dass beide doch nicht auf einmal und auf gleiche
Weise geträumt haben können, so weiß ich am Ende selbst nicht,
was ich von dem allen denken soll." "Zerbrich dir den Kopf nicht, o
mein Gemahl!" erwiderte die Frau von Brakel, "ich wette, das fremde
Kind ist niemand anders als Schulmeisters Gottlieb aus dem benachbarten Dorfe.
Der ist herübergelaufen und hat den Kindern allerlei tolles Zeug in den
Kopf gesetzt, aber das soll er künftig bleiben lassen." Herr von
Brakel war gar nicht der Meinung seiner Gemahlin, um indessen mehr hinter die
eigentliche Bewandtnis der Sache zu kommen, wurden Felix und Christlieb
herbeigerufen und aufgefordert, genau anzugeben, wie das Kind ausgesehen habe
und wie es gekleidet gewesen sei. Rücksichts des Aussehens stimmten beide
überein, dass das Kind ein lilienweißes Gesicht, rosenrote Wangen,
kirschrote Lippen, blauglänzende Augen und goldgelocktes Haar habe und so
schön sei, wie sie es gar nicht aussprechen könnten; in Ansehung der
Kleider wussten sie aber nur so viel, dass das Kind ganz gewiss nicht eine
blaugestreifte Jacke, ebensolche Hosen und eine schwarzlederne Mütze
trage, wie Schulmeisters Gottlieb. Dagegen klang alles, was sie über den
Anzug des Kindes ungefähr zu sagen vermochten, ganz fabelhaft und unklug.
Christlieb behauptete nämlich, das Kind trage ein wunderschönes
leichtes, glänzendes Kleidchen von Rosenblättern; Felix meinte
dagegen, das Kleid des Kindes funkle in hellem goldenem Grün wie
Frühlingslaub im Sonnenschein. Dass das Kind, fuhr Felix fort, irgendeinem
Schulmeister angehören könne, daran sei gar nicht zu denken, denn zu
gut verstehe sich der Knabe auf die Jägerei, stamme gewiss aus der Heimat
aller Wald- und Jagdlust und werde gewiss der tüchtigste Jägersmann
werden, den es wohl gebe. "Ei, Felix," unterbrach ihn Christlieb,
"wie kannst du nur sagen, dass das kleine liebe Mädchen ein
Jägersmann werden soll? Auf das Jagen mag sie sich auch wohl verstehen,
aber gewiss noch viel besser auf die Wirtschaft im Hause, sonst hätte sie
mir nicht so hübsch die Puppen angekleidet und so schöne
Schüsseln bereitet!" So hielt Felix das fremde Kind für einen
Knaben, Christlieb behauptete dagegen, es sei ein Mädchen, und beide
konnten darüber nicht einig werden. - Die Frau von Brakel sagte: "Es
lohnt gar nicht, dass man sich mit den Kindern auf solche Narrheiten
einlässt," der Herr von Brakel meinte dagegen: "Ich dürfte
ja nur den Kindern nachgehen in den Wald und erlauschen, was denn das für
ein seltsames Wunderkind ist, das mit ihnen spielt, aber es ist mir so, als
könnte ich den Kindern dadurch eine große Freude verderben, und
deshalb will ich es nicht tun." Andern Tages, als Felix und Christlieb zu
gewöhnlicher Zeit in den Wald liefen, wartete das fremde Kind schon auf
sie, und wusste es gestern herrliche Spiele zu beginnen, so schuf es vollends
heute die anmutigsten Wunder, so dass Felix und Christlieb ein Mal über
das andere vor Freude und Entzücken laut aufjauchzten. Lustig und sehr
hübsch zugleich war es, dass das fremde Kind während des Spielens so
zierlich und gescheit mit den Bäumen, Gebüschen, Blumen, mit dem
Waldbach zu sprechen wusste. Alle antworteten auch so vernehmlich, dass Felix
und Christlieb alles verstanden. Das fremde Kind rief ins Erlengebüsch
hinein: "Ihr schwatzhaftes Volk, was flüstert und wispert ihr wieder
miteinander?" Da schüttelten stärker sich die Zweige und lachten
und lispelten: "Ha - haha - wir freuen uns über die artigen Dinge,
die uns Freund Morgenwind heute zugeraunt hat, als er von den blauen Bergen vor
den Sonnenstrahlen daherrauschte.
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