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Das
fremde Kind
Kapitel 4: Die neuen Spielsachen, Seite 1 ( von 1 )
ETA Hoffmann
Sowie die Kutsche mit dem Grafen Cyprianus von Brakel und seiner Familie den
Hügel herabgerollt war, warf der Herr Thaddäus schnell den
grünen Rock und die rote Weste ab, und als er ebenso schnell die weite
Tuchjacke angezogen und zwei bis dreimal mit dem breiten Kamm die Haare
durchfahren hatte, da holte er tief Atem, dehnte sich und rief: "Gott sei
gedankt!" Auch die Kinder zogen schnell ihre Sonntagsröckchen aus und
fühlten sich froh und leicht. "In den Wald, in den Wald!" rief
Felix, indem er seine höchsten Luftsprünge versuchte. "Wollt ihr
denn nicht erst sehen, was euch Hermann und Adelgunde mitgebracht haben?"
So sprach die Mutter, und Christlieb, die schon während des Ausziehens die
Schachteln mit neugierigen Augen betrachtet hatte, meinte, dass das wohl erst
geschehen könne, nachher sei es ja wohl noch Zeit genug, in den Wald zu
laufen. Felix war sehr schwer zu überreden. Er sprach: "Was kann uns
denn der alberne pumphosichte Junge mitsamt seiner bebänderten Schwester
Großes mitgebracht haben? Was die Wissenschaften betrifft, i nun, die
plappert er gut genug weg, aber erst schwatzt er von Löw' und Bär und
weiß, wie man die Elefanten fängt, und dann fürchtet er sich
vor meinem Sultan, hat einen Säbel an der Seite und heult und schreit und
kriecht unter den Tisch. Das mag mir ein schöner Jäger sein!"
"Ach, lieber guter Felix, lass uns doch nur ein ganzes kleines bisschen
die Schachteln öffnen!" So bat Christlieb, und da ihr Felix alles nur
mögliche zu Gefallen tat, so gab er das In-den-Wald-laufen vorderhand auf
und setzte sich mit Christlieb geduldig an den Tisch, auf dem die Schachteln
standen. Sie wurden von der Mutter geöffnet, aber da - Nun, o meine
vielgeliebten Leser! Euch allen ist es gewiss schon so gut geworden, zur Zeit
des fröhlichen Jahrmarkts oder doch gewiss zu Weihnachten von den Eltern
oder andern lieben Freunden mit allerlei schmucken Sachen reichlich beschenkt
zu werden. Denkt euch, wie ihr vor Freude jauchzet, als blanke Soldaten,
komische Männchen und Drehorgeln, schön geputzte Puppen, zierliche
Gerätschaften, herrliche bunte Bilderbücher u. a. m. um euch lagen
und standen! Solche große Freude wie ihr damals hatten jetzt Felix und
Christlieb, denn eine ganz reiche Bescherung der niedlichsten glänzendsten
Sachen ging aus den Schachteln hervor, und dabei gab es noch allerlei
Naschwerk, so daß die Kinder ein Mal über das andere die Hände
zusammenschlugen und ausriefen: "Ei, wie schön ist das!" Nur
eine Tüte mit Bonbons legte Felix mit Verachtung beiseite, und als
Christlieb bat, den gläsernen Zucker doch wenigstens nicht zum Fenster
hinauszuwerfen, wie er es eben tun wollte, ließ er zwar davon ab,
öffnete aber die Tüte und warf einige Bonbons dem Sultan hin, der
indessen hineingeschwänzelt war. Sultan roch daran und wandte dann unmutig
die Schnauze weg. "Siehst du wohl, Christlieb," rief Felix nun
triumphierend, "siehst du wohl, nicht einmal Sultan mag das garstige Zeug
fressen." Übrigens machte dem Felix von den Spielsachen nichts mehr
Freude als ein stattlicher Jägersmann, der, wenn man ein kleines
Fädchen, das hinten unter seiner Jacke hervorragte, anzog, die Büchse
anlegte und in ein Ziel schoss, das drei Spannen weit vor ihm angebracht war.
Nächstdem schenkte er seine Liebe einem kleinen Männchen, das
Komplimente zu machen verstand und auf einer Harfe quinkelierte, wenn man an
einer Schraube drehte; vor allen Dingen gefiel ihm aber eine Flinte und ein
Hirschfänger, beides von Holz und übersilbert, sowie eine stattliche
Husarenmütze und eine Patronentasche. Christlieb hatte große Freude
an einer sehr schön geputzten Puppe und einem saubern vollständigen
Hausrat. Die Kinder vergaßen Wald und Flur und ergötzten sich an den
Spielsachen bis in den späten Abend hinein. Dann gingen sie zu Bette.
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