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Das
fremde Kind
Kapitel 2: Der vornehme Besuch, Seite 1 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Die Frau von Brakel stand eines Morgens sehr früh auf und buk einen
Kuchen, zu dem sie viel mehr Mandeln und Rosinen verbrauchte als selbst zum
Osterkuchen, weshalb er auch viel herrlicher geriet als dieser.
Währenddessen klopfte und bürstete der Herr von Brakel seinen
grünen Rock und seine rote Weste aus, und Felix und Christlieb wurden mit
den besten Kleidern angetan, die sie nur besaßen. "Ihr
dürft," so sprach dann der Herr von Brakel zu den Kindern, "ihr
dürft heute nicht herauslaufen in den Wald wie sonst, sondern müsst
in der Stube ruhig sitzen bleiben, damit ihr sauber und hübsch ausseht,
wenn der gnädige Herr Onkel kommt!" - Die Sonne war hell und
freundlich aufgetaucht aus dem Nebel und strahlte golden hinein in die Fenster,
im Wäldchen sauste der Morgenwind, und Fink und Zeisig und Nachtigall
jubilierten durcheinander und schmetterten die lustigsten Liedchen. Christlieb
saß still und in sich gekehrt am Tische; bald zupfte sie die roten
Bandschleifen an ihrem Kleidchen zurecht, bald versuchte sie emsig
fortzustricken, welches heute nicht recht gehen wollte. Felix, dem der Papa ein
schönes Bilderbuch in die Hände gegeben, schaute über die Bilder
hinweg nach dem schönen Birkenwäldchen, in dem er sonst jeden Morgen
ein paar Stunden nach Herzenslust herumspringen durfte. "Ach,
draußen ist's so schön", seufzte er in sich hinein, doch als
nun vollends der große Hofhund, Sultan geheißen, klaffend und
knurrend vor dem Fenster herumsprang, eine Strecke nach dem Walde hinlief,
wieder umkehrte und aufs neue knurrte und bellte, als wolle er dem kleinen
Felix zurufen: "Kommst du denn nicht heraus in den Wald? Was machst du
denn in der dumpfigen Stube?" da konnte sich Felix gar nicht lassen vor
Ungeduld. "Ach, liebe Mama, lass mich doch nur ein paar Schritte
hinausgehen!" So rief er laut, aber die Frau von Brakel erwiderte:
"Nein, nein, bleibe nur fein in der Stube. Ich weiß schon, wie es
geht, sowie du hinausläufst, muss Christlieb hinterdrein, und dann husch,
husch durch Busch und Dorn, hinauf auf die Bäume! Und dann kommt ihr
zurück, erhitzt und beschmutzt, und der Onkel sagt: 'Was sind das für
hässliche Bauernkinder, so dürfen keine Brakels aussehen, weder
große noch kleine.'" Felix klappte voll Ungeduld das Bilderbuch zu
und sprach, indem ihm die Tränen in die Augen traten, kleinlaut:
"Wenn der gnädige Herr Onkel von hässlichen Bauernkindern redet,
so hat er wohl nicht Vollrads Peter oder Hentschels Annliese oder alle unsere
Kinder hier im Dorfe gesehen, denn ich wüsste doch nicht, wie es
hübschere Kinder geben sollte als diese." "Jawohl," rief
Christlieb, wie plötzlich aus einem Traume erwacht, "und ist nicht
auch des Schulzen Grete ein hübsches Kind, wiewohl sie lange nicht solche
schöne rote Bandschleifen hat als ich?" "Sprecht nicht solch
dummes Zeug," rief die Mutter halb erzürnt, "ihr versteht das
nicht, wie es der gnädige Onkel meint." - Alle weitere Vorstellungen,
wie es grade heute gar zu herrlich im Wäldchen sei, halfen nichts, Felix
und Christlieb mussten in der Stube bleiben, und das war um so peinlicher, als
der Gastkuchen, der auf dem Tische stand, die süßesten Gerüche
verbreitete und doch nicht früher angeschnitten werden durfte, bis der
Onkel angekommen. "Ach, wenn er doch nur käme, wenn er doch nur
endlich käme!" so riefen beide Kinder und weinten beinahe vor
Ungeduld. Endlich ließ sich ein starkes Pferdegetrappel vernehmen, und
eine Kutsche fuhr vor, die so blank und mit goldnen Zierraten reich
geschmückt war, dass die Kinder in das größte Erstaunen
gerieten, denn sie hatten dergleichen noch gar nicht gesehen. Ein großer
hagerer Mann glitt an den Armen des Jägers, der den Kutschenschlag
geöffnet, heraus in die Arme des Herrn von Brakel, an dessen Wange er
zweimal sanft die seinige legte und leise lispelte: "Bon jour, mein lieber
Vetter, nur gar keine Umstände, bitte ich." Unterdessen hatte der
Jäger noch eine kleine dicke Dame mit sehr roten Backen und zwei Kinder,
einen Knaben und ein Mädchen, aus der Kutsche zur Erde hinabgleiten
lassen, welches er sehr geschickt zu machen wusste, so dass jeder auf die
Füße zu stehen kam.
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