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Das fremde Kind

Kapitel 6: Das fremde Kind, Seite 1 ( von 1 )
ETA Hoffmann

Felix und Christlieb waren in aller Frühe nach dem Walde gelaufen. Die Mutter hatte es ihnen eingeschärft, ja recht bald wiederzukommen, weil sie nun viel mehr in der Stube sitzen und viel mehr schreiben und lesen müssten als sonst, damit sie sich nicht gar zu sehr zu schämen brauchten vor dem Hofmeister, der nun nächstens kommen werde, deshalb sprach Felix: "Lass uns nun das Stündchen über, das wir draußen bleiben dürfen, recht tüchtig springen und laufen!" Sie begannen auch gleich sich als Hund und Häschen herumzujagen, aber so wie dieses Spiel erregten auch alle übrigen Spiele, die sie anfingen, nach wenigen Sekunden ihnen nur Überdruss und Langeweile. Sie wussten selbst gar nicht, wie es denn nur kam, dass ihnen gerade heute tausend ärgerliches Zeug geschehen musste. Bald flatterte Felixens Mütze, vom Winde getrieben, ins Gebüsch, bald strauchelte er und fiel auf die Nase im besten Rennen, bald blieb Christlieb mit den Kleidern hängen am Dornstrauch oder stieß sich den Fuß am spitzen Stein, dass sie laut aufschreien musste. Sie gaben bald alles Spielen auf und schlichen missmutig durch den Wald. "Wir wollen nur in die Stube kriechen", sprach Felix, warf sich aber, statt weiterzugehen, in den Schatten eines schönen Baums. Christlieb folgte seinem Beispiel. Da saßen die Kinder nun voller Unmut und starrten stumm in den Boden hinein. "Ach," seufzte Christlieb endlich leise, "ach, hätten wir doch noch die schönen Spielsachen!" - "Die würden," murrte Felix, "die würden uns gar nichts nützen, wir müssten sie doch nur wieder zerbrechen und verderben. Höre, Christlieb! - die Mutter hat doch wohl recht - die Spielsachen waren gut, aber wir wussten nur nicht damit umzugehen, und das kommt daher, weil uns die Wissenschaften fehlen." "Ach, lieber Felix," rief Christlieb, "du hast recht, könnten wir die Wissenschaften so hübsch auswendig, wie der blanke Vetter und die geputzte Muhme, ach, da hättest du noch deinen Jäger, dein Harfenmännlein, da läg' meine schöne Puppe nicht im Ententeich! - wir ungeschickte Dinger - ach, wir haben keine Wissenschaften!" und damit fing Christlieb an jämmerlich zu schluchzen und zu weinen, und Felix stimmte mit ein, und beide Kinder heulten und jammerten, dass es im Walde widertönte: "Wir armen Kinder, wir haben keine Wissenschaften - uns fehlen die Wissenschaften!" Doch plötzlich hielten sie inne und frugen voll Erstaunen: "Siehst du's, Christlieb?" - "Hörst du's, Felix?" - Aus dem tiefsten Schatten des dunkeln Gebüsches, das den Kindern gegenüber lag, blickte ein wundersamer Schein, der wie sanfter Mondesstrahl über die vor Wonne zitternden Blätter gaukelte, und durch das Säuseln des Waldes ging ein süßes Getön, wie wenn der Wind über Harfen hinstreift und im Liebkosen die schlummernden Akkorde weckt. Den Kindern wurde ganz seltsam zumute, aller Gram war von ihnen gewichen, aber die Tränen standen ihnen in den Augen vor süßem, nie gekanntem Weh. So wie lichter und lichter der Schein durch das Gebüsch strahlte, so wie lauter und lauter die wundervollen Töne erklangen, klopfte den Kindern höher das Herz, sie starrten hinein in den Glanz, und ach! sie gewahrten, dass es das von der Sonne hell erleuchtete holde Antlitz des lieblichsten Kindes war, welches ihnen aus dem Gebüsch zulächelte und zuwinkte. "O komm doch nur zu uns - komm doch nur zu uns, du liebes Kind!" so riefen beide, Christlieb und Felix, indem sie aufsprangen und voll unbeschreiblicher Sehnsucht die Hände nach der holden Gestalt ausstreckten. "Ich komme - ich komme", rief es mit süßer Stimme aus dem Gebüsch, und leicht, wie vom säuselnden Morgenwinde getragen, schwebte das fremde Kind herüber zu Felix und Christlieb.

Seite: Seite 1 - Das fremde Kind

Kapitel -

Der Herr von Brakel auf Brakelheim
Der vornehme Besuch
Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging
Die neuen Spielsachen
Was sich mit den neuen Spielsachen im Walde zutrug
Das fremde Kind
Wie das fremde Kind mit Felix und Christlieb spielte
Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde sagten
Von der Heimat des fremden Kindes
Von dem bösen Minister am Hofe der Feenkönigin
Wie der Hofmeister angekommen war
Wie die Kinder mit dem Herrn Magister Tinte im Walde spazieren gingen
Wie der Herr von Brakel den Magister Tinte fortjagte
Was sich weiter im Walde begab
Beschluss






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