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Das
fremde Kind
Kapitel 3: Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging, Seite 2 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Sie gab dem Grafen Cyprianus einen Wink, der sich alsbald an Hermann und
Adelgunden wandte und allerlei Fragen an sie richtete, die sie mit der
größten Schnelligkeit beantworteten: Da war von vielen Städten,
Flüssen und Bergen die Rede, die viele tausend Meilen ins Land hinein
liegen sollten und die seltsamsten Namen trugen. Ebenso wussten beide ganz
genau zu beschreiben, wie die Tiere aussähen, die in wilden Gegenden der
entferntesten Himmelsstriche wohnen sollten. Dann sprachen sie von fremden
Gebüschen, Bäumen und Früchten, als ob sie sie selbst gesehn, ja
wohl die Früchte selbst gekostet hätten. Hermann beschrieb ganz
genau, wie es vor dreihundert Jahren in einer großen Schlacht zugegangen,
und wusste alle Generale, die dabei zugegen gewesen, mit Namen zu nennen.
Zuletzt sprach Adelgunde sogar von den Sternen und behauptete, am Himmel
säßen allerlei seltsame Tiere und andere Figuren. Dem Felix wurde
dabei ganz angst und bange, er näherte sich der Frau von Brakel und fragte
leise ins Ohr: "Ach Mama! liebe Mama! was ist denn das alles, was die dort
schwatzen und plappern?" "Halt's Maul, dummer Junge," raunte ihm
die Mutter zu, "das sind die Wissenschaften." Felix verstummte.
"Das ist erstaunlich, das ist unerhört! in dem zarten Alter!" so
rief der Herr von Brakel ein Mal über das andere, die Frau von Brakel aber
seufzte: "O mein Herr Jemine! o was sind das für Kinder, nein, was
sind das für Engel! o was soll denn aus unsern Kleinen werden hier auf dem
öden Lande." Als nun der Herr von Brakel in die Klagen der Mutter mit
einstimmte, tröstete beide der Graf Cyprianus, indem er versprach, binnen
einiger Zeit ihnen einen gelehrten Mann zuzuschicken, der ganz umsonst den
Unterricht der Kinder übernehmen werde. Unterdessen war die schöne
Kutsche wieder vorgefahren. Der Jäger trat mit zwei großen
Schachteln hinein, die nahmen Adelgunde und Hermann und überreichten sie
der Christlieb und dem Felix. "Lieben Sie Spielsachen, mon cher? Hier habe
ich Ihnen welche mitgebracht von der feinsten Sorte", so sprach Hermann,
sich zierlich verbeugend. Felix hatte die Ohren hängen lassen, er ward
traurig, selbst wusste er nicht warum. Er hielt die Schachtel gedankenlos in
den Händen und murmelte: "Ich heiße nicht Mon schär,
sondern Felix und auch nicht Sie, sondern du." - Der Christlieb war auch
das Weinen näher als das Lachen, unerachtet aus der Schachtel, die sie von
Adelgunden erhalten, die süßesten Düfte strömten wie von
allerlei schönen Näschereien. An der Türe sprang und bellte nach
seiner Gewohnheit Sultan, Felixens getreuer Freund und Liebling. Hermann
entsetzte sich aber so sehr vor dem Hunde, dass er schnell in die Stube
zurücklief und laut zu weinen anfing. "Er tut dir ja nichts,"
sprach Felix, "er tut dir ja nichts, warum heulst und schreist du so? Es
ist ja nur ein Hund, und du hast ja schon die schrecklichsten Tiere gesehn? Und
wenn er auch auf dich zufahren wollte, du hast ja einen Säbel?"
Felixens Zureden half gar nichts, Hermann schrie immerfort, bis ihn der
Jäger auf den Arm nehmen und in die Kutsche tragen musste. Adelgunde,
plötzlich von dem Schmerz des Bruders ergriffen oder Gott weiß aus
welcher andern Ursache, fing ebenfalls an, heftig zu heulen, welches die arme
Christlieb so anregte, dass sie auch zu schluchzen und zu weinen begann. Unter
diesem Geschrei und Gejammer der drei Kinder fuhr der Graf Cyprianus von Brakel
ab von Brakelheim, und so endete der vornehme Besuch.
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