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Das
fremde Kind
Kapitel 11: Wie der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm
fürchteten, Seite 2 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Oft war es ihnen, als hörten sie mitten unter den lustigen Liedern der
Vögel, im Rauschen der Bäume des fremden Kindes süße
Stimme rufen: "Wo seid ihr denn, Felix - Christlieb - ihr lieben Kinder?
wo seid ihr denn? Wollt ihr nicht mehr mit mir spielen? - Kommt doch nur! - ich
habe euch einen schönen Blumenpalast gebaut - da setzen wir uns hinein,
und ich schenk' euch die herrlichsten buntesten Steine - und dann schwingen wir
uns auf in die Wolken und bauen selbst funkelnde Luftschlösser! - Kommt
doch! Kommt doch nur!" Darüber wurden die Kinder mit allen ihren
Gedanken ganz hingezogen nach dem Walde und sahen und hörten nicht mehr
auf den Magister. Der wurde aber denn ganz zornig, schlug mit beiden
Fäusten auf den Tisch und brummte und summte und schnarrte und knarrte:
"Pim - Sim - Prr - Grrr - Knurr - Krrr - Was ist das! Aufgepasst!"
Felix hielt das aber nicht lange aus, er sprang auf und rief: "Lass mich
los mit deinem dummen Zeuge, Herr Magister Tinte, fort will ich in den Wald -
such' dir den Vetter Pumphose, das ist was für den! - Komm, Christlieb,
das fremde Kind wartet schon auf uns." - Damit ging es fort, aber der
Magister Tinte sprang mit ungemeiner Behändigkeit hinterher und erfasste
die Kinder dicht vor der Haustüre. Felix wehrte sich tapfer, und der
Magister Tinte war im Begriff zu unterliegen, da dem Felix der treue Sultan zu
Hilfe geeilt war. Sultan, sonst ein frommer gesitteter Hund, hatte gleich vom
ersten Augenblick an einen entschiedenen Abscheu gegen den Magister Tinte
bewiesen. Sowie dieser ihm nur nahe kam, knurrte er und schlug mit dem Schweif
so heftig um sich, dass er den Magister, den er geschickt an die dünnen
Beinchen zu treffen wusste, beinahe umgeschmissen hätte. Sultan sprang
hinzu und packte den Magister, der Felix bei beiden Schultern hielt, ohne
Umstände beim Rockkragen. Der Magister Tinte erhob ein klägliches
Geschrei, auf das Herr Thaddäus von Brakel schnell hinzueilte. Der
Magister ließ ab von Felix, Sultan von dem Magister. "Ach, wir
sollen nicht mehr in den Wald", klagte Christlieb, indem sie bitterlich
weinte. So sehr auch der Herr von Brakel den Felix ausschalt, taten ihm doch
die Kinder leid, die nicht mehr in Flur und Hain herumschwärmen sollten.
Der Magister Tinte musste sich dazu verstehen, täglich mit den Kindern den
Wald zu besuchen. Es ging ihm schwer ein. "Hätten Sie nur, Herr von
Brakel," sprach er, "einen vernünftigen Garten mit Buchsbaum und
Staketen am Hause, so könnte man in der Mittagsstunde mit den Kindern
spazieren gehen, was in aller Welt sollen wir aber in dem wilden Walde?" -
Die Kinder waren auch ganz unzufrieden, und die sprachen nun wieder: "Was
soll uns der Magister Tinte in unserm lieben Walde?"
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