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Das
fremde Kind
Kapitel 7: Wie das fremde Kind mit Felix und Christlieb spielte, Seite 2 ( von
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ETA Hoffmann
"Tut mir nichts, tut mir nichts - ich fress' euer Täublein
nicht!" kreischte der Geier, sich in banger Scheu vor den Kindern durch
die Lüfte schwingend - Felix jauchzte laut, aber der Christlieb wurde
bange. "Mir vergeht der Atem - ach, ich falle wohl!" so rief sie, und
in demselben Augenblick ließ sich das fremde Kind mit den Gespielen
nieder und sprach: "Nun singe ich euch das Waldlied zum Abschiede für
heute, morgen komm' ich wieder." Nun nahm das Kind ein kleines Waldhorn
hervor, dessen goldne Windungen beinahe anzusehen waren wie leuchtende
Blumenkränze, und begann darauf so herrlich zu blasen, dass der ganze Wald
wundersam von den lieblichen Tönen widerhallte, und dazu sangen die
Nachtigallen, die wie auf des Waldhorns Ruf herbeiflatterten und sich dicht
neben dem Kinde in die Zweige setzten, ihre herrlichsten Lieder. Aber
plötzlich verhallten die Töne mehr und mehr, und nur ein leises
Säuseln quoll aus den Gebüschen, in die das fremde Kind
hingeschwunden. "Morgen - morgen kehr' ich wieder!" so rief es aus
weiter Ferne den Kindern zu, die nicht wussten, wie ihnen geschehen, denn solch
innere Lust hatten sie nie empfunden. "Ach, wenn es doch nur schon wieder
morgen wäre!" so sprachen beide, Felix und Christlieb, indem sie
voller Hast zu Hause liefen, um den Eltern zu erzählen, was sich im Walde
begeben.
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