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Das
fremde Kind
Kapitel 5: Was sich mit den neuen Spielsachen im Walde zutrug, Seite 2 ( von 2
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ETA Hoffmann
Nun fasste jeder, Felix und Christlieb, die Puppe an einem Arm, und so ging's
fort in vollem Laufe durchs Gebüsch den Hügel herab und fort und fort
bis an den mit hohem Schilf umkränzten Teich, der noch zu dem Besitztum
des Herrn Thaddäus von Brakel gehörte und wo er zuweilen wilde Enten
zu schießen pflegte. Hier standen die Kinder still, und Felix sprach:
"Lass uns ein wenig passen, ich habe ja nun eine Flinte, wer weiß,
ob ich nicht im Röhricht eine Ente schießen kann, so gut wie der
Vater." In dem Augenblick schrie aber Christlieb laut auf: "Ach meine
Puppe, was ist aus meiner schönen Puppe geworden!" Freilich sah das
arme Ding ganz miserabel aus. Weder Christlieb noch Felix hatten im Laufen die
Puppe beachtet, und so war es gekommen, dass sie sich an dem Gestrüpp die
Kleider ganz und gar zerrissen, ja beide Beinchen gebrochen hatte. Von dem
hübschen Wachsgesichtchen war auch beinahe keine Spur, so zerfetzt und
hässlich sah es aus. "Ach meine Puppe, meine schöne Puppe!"
klagte Christlieb. "Da siehst du nun," sprach Felix, "was
für dumme Dinger uns die fremden Kinder mitgebracht haben. Das ist ja eine
ungeschickte einfältige Trine, deine Puppe, die nicht einmal mit uns
laufen kann, ohne sich gleich alles zu zerreißen und zu zerfetzen - gib
sie nur her." Christlieb reichte die verunstaltete Puppe traurig dem
Bruder hin und konnte sich eines lauten Schreies: "Ach, ach!" nicht
enthalten, als der sie ohne weiteres fortschleuderte in den Teich.
"Gräme dich nur nicht," tröstete Felix die Schwester,
"gräme dich nur ja nicht um das alberne Ding, schieße ich eine
Ente, so sollst du die schönsten Federn bekommen, die sich nur in den
bunten Flügeln finden wollen." Es rauschte im Röhricht, da legte
stracks Felix seine hölzerne Flinte an, setzte sie aber in demselben
Augenblick wieder ab, und schaute nachdenklich vor sich hin. "Bin ich
nicht auch selbst ein törichter Junge," fing er dann leise an,
"gehört denn nicht zum Schießen Pulver und Blei, und habe ich
denn beides? - Kann ich denn auch wohl Pulver in eine hölzerne Flinte
laden? - Wozu ist überhaupt das dumme hölzerne Ding? - Und der
Hirschfänger? - Auch von Holz! - der schneidet und sticht nicht - des
Vetters Säbel war gewiss auch von Holz, deshalb mochte er ihn nicht
ausziehn, als er sich vor dem Sultan fürchtete. Ich merke schon, Vetter
Pumphose hat mich nur zum besten gehabt mit seinen Spielsachen, die was
vorstellen wollen und nichtsnütziges Zeug sind." Damit schleuderte
Felix Flinte, Hirschfänger und zuletzt noch die Patrontasche in den Teich.
Christlieb war doch betrübt über den Verlust der Puppe, und auch
Felix konnte sich des Unmuts nicht erwehren. So schlichen sie nach Hause, und
als die Mutter frug: "Kinder, wo habt ihr eure Spielsachen?"
erzählte Felix ganz treuherzig, wie schlimm er mit dem Jäger, mit dem
Harfenmännlein, mit Flinte, Hirschfänger und Patronentasche, wie
schlimm Christlieb mit der Puppe angeführt worden. "Ach," rief
die Frau von Brakel halb erzürnt, "ihr einfältigen Kinder, ihr
wisst nur nicht mit den schönen zierlichen Sachen umzugehen." Der
Herr Thaddäus von Brakel, der Felixens Erzählung mit sichtbarem
Wohlgefallen angehört hatte, sprach aber: "Lasse die Kinder nur
gewähren, im Grunde genommen ist's mir recht lieb, dass sie die
fremdartigen Spielsachen, die sie nur verwirrten und beängstigten, los
sind." Weder die Frau von Brakel noch die Kinder wussten, was der Herr von
Brakel mit diesen Worten eigentlich sagen wollte.
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