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Das
fremde Kind
Kapitel 8: Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremden Kinde
sagten, und was sich weiter mit demselben begab, Seite 2 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Er brachte uns tausend Grüße und Küsse von der goldnen
Königin und einige tüchtige Flügelschläge voll der
süßesten Düfte." "O schweigt doch," so
unterbrachen die Blumen das Geschwätz der Büsche, "o schweigt
doch von dem Flatterhaften, der mit den Düften prahlt, die seine falschen
Liebkosungen uns entlockten. Lasst die Gebüsche lispeln und säuseln,
ihr Kinder, aber schaut uns an, horcht auf uns, wir lieben euch gar zu sehr und
putzen uns heraus mit den schönsten glänzendsten Farben Tag für
Tag, nur damit wir euch recht gefallen." - "Und lieben wir euch denn
nicht auch, ihr holden Blumen?" So sprach das fremde Kind, aber Christlieb
kniete zur Erde nieder und streckte beide Arme weit aus, als wolle sie all die
herrlichen Blumen, die um sie her sprossten, umarmen, indem sie rief:
"Ach, ich lieb' euch ja allzumal!" - Felix sprach: "Auch mir
gefallt ihr wohl in euren glänzenden Kleidern, ihr Blumen, aber doch halt'
ich es mit dem Grün, mit den Büschen, mit den Bäumen, mit dem
Walde, er muss euch doch schützen und schirmen, ihr kleinen bunten
Kindlein!" Da sauste es in den hohen schwarzen Tannen: "Das ist ein
wahres Wort, du tüchtiger Junge, und du musst dich nicht vor uns
fürchten, wenn der Gevatter Sturm dahergezogen kommt und wir ein bisschen
ungestüm mit dem groben Kerl zanken." "Ei," rief Felix,
"knarrt und stöhnt und sauset nur recht wacker, ihr grüne
Riesen, dann geht ja dem tüchtigen Jägersmann erst das Herz recht
auf." "Da hast du ganz recht," so rauschte und plätscherte
der Waldbach, "da hast du ganz recht, aber wozu immer jagen, immer rennen
im Sturm und im wilden Gebraus! - Kommt! setzt euch fein ins Moos und hört
mir zu. Von fernen, fernen Landen, aus tiefem Schacht komm' ich her - ich will
euch schöne Märchen erzählen und immer was Neues, Well' auf
Welle und immerfort und fort. Und die schönsten Bilder zeig' ich euch,
schaut mir nur recht ins blanke Spiegelantlitz - duftiges Himmelblau - goldenes
Gewölk - Busch und Blum' und Wald - euch selbst, ihr holden Kinder, zieh'
ich liebend hinein tief in meinen Busen!" - "Felix, Christlieb,"
so sprach das fremde Kind, indem es mit wundersamer Holdseligkeit um sich
blickte, "Felix, Christlieb, o hört doch nur, wie alles uns liebt.
Aber schon steigt das Abendrot auf hinter den Bergen, und Nachtigall ruft mich
nach Hause." "O lass uns noch ein bisschen fliegen", bat Felix.
"Aber nur nicht so sehr hoch, da schwindelt's mir gar zu sehr",
sprach Christlieb. Da fasste wie gestern das fremde Kind beide, Felix und
Christlieb, bei den Händen, und nun schwebten sie auf im goldenen Purpur
des Abendrots, und das lustige Volk der bunten Vögel schwärmte und
lärmte um sie her - das war ein Jauchzen und Jubeln! - In den
glänzenden Wolken, wie in wogenden Flammen erblickte Felix die
herrlichsten Schlösser von lauter Rubinen und andern funkelnden
Edelsteinen: "Schau', o schau' doch, Christlieb," rief er voll
Entzücken, "das sind prächtige, prächtige Häuser, nur
tapfer lass uns fliegen, wir kommen gewiss hin." Christlieb gewahrte auch
die Schlösser und vergaß alle Furcht, indem sie nicht mehr hinab,
sondern unverwandt in die Ferne blickte. "Das sind meine lieben
Luftschlösser," sprach das fremde Kind, "aber hin kommen wir
heute wohl nicht mehr!" - Felix und Christlieb waren wie im Traume und
wussten selbst nicht, wie es geschah, dass sie unversehens sich zu Hause bei
Vater und Mutter befanden.
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