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Das
fremde Kind
Kapitel 2: Der vornehme Besuch, Seite 2 ( von 2 )
ETA Hoffmann
Als sie nun alle standen, traten, wie es ihnen von Vater und Mutter
eingeschärft worden, Felix und Christlieb hinzu, fassten jeder eine Hand
des langen hagern Mannes und sprachen, dieselbe küssend: "Sein Sie
uns recht schön willkommen, lieber gnädiger Herr Onkel!" dann
machten sie es mit den Händen der kleinen dicken Dame ebenso und sprachen:
"Sein Sie uns recht schön willkommen, liebe gnädige Frau
Tante!" dann traten sie zu den Kindern, blieben aber ganz verblüfft
stehen, denn solche Kinder hatten sie noch niemals gesehen. Der Knabe trug
lange Pumphosen und ein Jäckchen von scharlachrotem Tuch, über und
über mit goldnen Schnüren und Tressen besetzt, und einen kleinen
blanken Säbel an der Seite, auf dem Kopf aber eine seltsame rote
Mütze mit einer weißen Feder, unter der er mit seinem blassgelben
Gesichtchen und den trüben schläfrigen Augen blöd und scheu
hervorguckte. Das Mädchen hatte zwar ein weißes Kleidchen an wie
Christlieb, aber mit schrecklich viel Bändern und Spitzen, auch waren ihre
Haare ganz seltsam in Zöpfe geflochten und spitz in die Höhe
heraufgewunden, oben funkelte aber ein blankes Krönchen. Christlieb fasste
sich ein Herz und wollte die Kleine bei der Hand nehmen, die zog aber die Hand
schnell zurück und zog solch ein verdrießliches weinerliches
Gesicht, dass Christlieb ordentlich davor erschrak und von ihr abließ.
Felix wollte auch nur des Knaben schönen Säbel ein bisschen
näher besehen und fasste darnach, aber der Junge fing an zu schreien:
"Mein Säbel, mein Säbel, er will mir den Säbel nehmen"
und lief zum hagern Mann, hinter den er sich versteckte. Felix wurde
darüber rot im Gesicht und sprach ganz erzürnt: "Ich will dir ja
deinen Säbel nicht nehmen - dummer Junge!" Die letzten Worte murmelte
er nur so zwischen den Zähnen, aber der Herr von Brakel hatte wohl alles
gehört und schien sehr verlegen darüber zu sein, denn er
knöpfelte an der Weste hin und her und rief: "Ei, Felix!" Die
dicke Dame sprach: "Adelgundchen, Hermann, die Kinder tun euch ja nichts,
seid doch nicht so blöde;" der hagere Herr lispelte aber: "Sie
werden schon Bekanntschaft machen", ergriff die Frau von Brakel bei der
Hand und führte sie ins Haus, ihr folgte Herr von Brakel mit der dicken
Dame, an deren Schleppkleid sich Adelgundchen und Hermann hingen. Christlieb
und Felix gingen hinterdrein. "Jetzt wird der Kuchen angeschnitten",
flüsterte Felix der Schwester ins Ohr. "Ach ja, ach ja,"
erwiderte diese voll Freude; "und dann laufen wir auf und davon in den
Wald," fuhr Felix fort, "und bekümmern uns um die fremden
blöden Dinger nicht", setzte Christlieb hinzu. Felix machte einen
Luftsprung, so kamen sie in die Stube. Adelgunde und Hermann durften keinen
Kuchen essen, weil sie, wie die Eltern sagten, das nicht vertragen
könnten, sie erhielten dafür jeder einen kleinen Zwieback, den der
Jäger aus einer mitgebrachten Schachtel herausnehmen musste. Felix und
Christlieb bissen tapfer in das derbe Stück Kuchen, das die gute Mutter
jedem gereicht, und waren guter Dinge.
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