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Die Geschichte
von Kalif Storch
Märchen von Wilhelm Hauff, Seite 4 ( von 7 )
Sie erhoben sich vom Dach des Palastes und flogen der Gegend von Medina zu.
Mit dem Fliegen wollte es aber nicht gar gut gehen, denn die beiden
Störche hatten noch wenig Übung. "O Herr," ächzte nach
ein paar Stunden der Großvezier, "ich halte es mit Eurer Erlaubnis
nicht mehr lange aus, Ihr fliegt gar zu schnell! Auch ist es schon Abend und
wir täten wohl, ein Unterkommen für die Nacht zu suchen."
Chasid gab der Bitte seines Dieners Gehör; und da er unten im Tale eine
Ruine erblickte, die ein Obdach zu gewähren schien, so flogen sie dahin.
Der Ort, wo sie sich für diese Nacht niedergelassen hatten, schien ehemals
ein Schloss gewesen zu sein. Schöne Säulen ragten unter den
Trümmern hervor, mehrere Gemächer, die noch ziemlich erhalten waren,
zeugten von der ehemaligen Pracht des Hauses. Chasid und sein Begleiter gingen
durch die Gänge umher, um sich ein trockenes Plätzchen zu suchen;
plötzlich blieb der Storch Mansor stehen. "Herr und Gebieter,"
flüsterte er leise, "wenn es nur nicht töricht für einen
Großvezier, noch mehr aber für einen Storchen wäre, sich vor
Gespenster zu fürchten! Mir ist ganz unheimlich zu Mut, denn hier neben
hat es ganz vernehmlich geseufzt und gestöhnt." Der Kalif blieb nun
auch stehen, und hörte ganz deutlich ein leises Weinen, das eher einem
Menschen als einem Tiere anzugehören schien. Voll Erwartung wollte er der
Gegen zugehen, woher die Klagetöne kamen; der Vezier aber packte ihn mit
dem Schnabel am Flügel, und bat ihn flehentlich, sich nicht in neue,
unbekannte Gefahren zu stürzen. Doch vergebens! Der Kalif, dem auch unter
dem Storchenflügel ein tapferes Herz schlug, riss sich mit Verlust einiger
Federn los und eilte in einen finstern Gang. Bald war er an einer Türe
angelangt, die nur angelehnt schien, und woraus er deutliche Seufzer, mit ein
wenig Geheul, vernahm. Er stieß mit dem Schnabel die Türe auf, blieb
aber überrascht auf der Schwelle stehen. In dem verfallenen Gemach, das
nur durch ein kleines Gitterfenster spärlich erleuchtet war, sah er eine
große Nachteule am Boden sitzen. Dicke Tränen rollten ihr aus den
großen runden Augen, und mit heiserer Stimme stieß sie ihre Klagen
aus dem krummen Schnabel heraus. Als sie aber den Kalifen und seinen Verzier,
der indes auch herbei geschlichen war, erblickte, erhob sie ein lautes
Freudengeschrei. Zierlich wischte sie mit dem braun gefleckten Flügel die
Tränen aus dem Auge, und zu dem großen Erstaunen der Beiden rief sie
in gutem menschlichen Arabisch: "Willkommen ihr Störche, ihr seid mir
ein gutes Zeichen meiner Errettung, denn durch Störche werde mir ein
großes Glück kommen, ist mir einst prophezeit worden!"
Als sich der Kalif von seinem Erstaunen erholt hatte, bückte er sich mit
seinem langen Hals, brachte seine dünnen Füße in eine zierliche
Stellung und sprach: "Nachteule! Deinen Worten nach darf ich glauben, eine
Leidensgefährtin in Dir zu sehen. Aber ach! Deine Hoffnung, dass durch uns
Deine Rettung kommen werde, ist vergeblich. Du wirst unsere Hilflosigkeit
selbst erkennen, wenn Du unsere Geschichte hörst." Die Nachteule bat
ihn, zu erzählen, der Kalif aber hub a und erzählte, was wir bereits
wissen.
Als der Kalif der Eule seine Geschichte vorgetragen hatte, dankte sie ihm und
sagte: "Vernimm auch meine Geschichte und höre, wie ich nicht weniger
unglücklich bin als Du. Mein Vater ist der König von Indien, ich,
seine einzige Tochter, heiße Lusa. Jener Zauberer Kaschnur, der Euch
verzauberte, hat auch mich ins Unglück gestürzt. Er kam eines Tages
zu meinem Vater und begehrte mich zur Frau für seinen Sohn Mizra. Mein
Vater aber, der ein hitziger Mann ist, ließ ihn die Treppe hinunter
werfen. Der Elende wusste sich unter einer andern Gestalt wieder in meine
Nähe zu schleichen, und als ich einst in meinem Garten Erfrischungen zu
mir nehmen wollte, brachte er mir, als Sklave verkleidet, einen Trank bei, der
mich in diese abscheuliche Gestalt verwandelte. Vor Schrecken ohnmächtig,
brachte er mich hierher und rief mir mit schrecklicher Stimme in die Ohren:
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