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Die Geschichte
von Kalif Storch
Märchen von Wilhelm Hauff, Seite 2 ( von 7 )
Aber hüte Dich, wenn du verwandelt bist, dass Du nicht lachest, sonst
verschwindet das Zauberwort gänzlich aus Deinem Gedächtnis und Du
bleibst ein Tier."
Als Selim der Gelehrte also gelesen hatte, war der Kalif über die
Maßen vergnügt. Er ließ den Gelehrten schwören, Niemand
etwas von dem Geheimnis zu sagen, schenkte ihm ein schönes Kleid und
entließ ihn. Zu seinem Großvezier aber sagte er: "Das
heiß' ich gut einkaufen, Mensor! Wie freue ich mich, bis ich ein Tier
bin! Morgen früh kommst Du zu mir. Wir gehen dann mit einander aufs Feld,
schnupfen etwas weniges aus meine Dose und belauschen dann, was in der Luft und
im Wasser, im Wald und Feld gesprochen wird!"
Kaum hatte am andern Morgen der Kalif Chasid gefrühstückt und sich
angekleidet, als schon der Großverzier erschien, ihn, wie er befohlen,
auf dem Spaziergang zu begleiten. Der Kalif steckte die Dose mit dem
Zauberpulver in den Gürtel, und nachdem er seinem Gefolge befohlen,
zurückzubleiben, machte er sich mit dem Großvezier ganz allein auf
den Weg. Sie gingen zuerst durch die weiten Gärten des Kalifen,
spähten aber vergebens nach etwas Lebendigem, um ihr Kunststück zu
probieren. Der Vezier schlug endlich vor, weiter hinaus an einen Teich zu
gehen, wo er schon oft viele Tiere, namentlich Störche, gesehen habe, die
durch ihr gravitätisches Wesen und ihr Geklapper immer seine
Aufmerksamkeit erregt haben.
Der Kalif billigte den Vorschlag seines Veziers, und ging mit ihm den Teich zu.
Als sie dort angekommen waren, sahen sie einen Storch ernsthaft auf- und
abgehen, Frösche suchend und hie und da etwas vor sich hinklappernd.
Zugleich sahen sie auch weiter oben in der Luft einen andern Storchen dieser
Gegend zu schweben.
"Ich wette meinen Bart, gnädigster Herr," sagte der
Großvezier, "diese zwei Langfüßler führen jetzt ein
schönes Gespräch mit einander. Wie wäre es, wenn wir
Störche würden?"
"Wohl gesprochen!" antwortete der Kalif. "Aber vorher wollen wir
noch einmal betrachten, wie man wieder Mensch wird. - Richtig! Dreimal gen
Osten geneigt und Mutabor gesagt, so bin ich wieder Kalif und Du Vezier. Aber
nur ums Himmelswillen nicht gelacht, sonst sind wir verloren!"
Während der Kalif also sprach, sah er den andern Storchen über ihrem
Haupte schweben und langsam sich zur Erde lassen. Schnell zog er die Dose aus
dem Gürtel, nahm eine gute Prise, bot sie dem Großvezier dar, der
gleichfalls schnupfte, und Beide riefen: Mutabor!
Da schrumpften ihre Beine ein, und wurden dünn und rot, die schönen
gelben Pantoffeln des Kalifen und seines Begleiters wurden unförmliche
Storchenfüße, die Arme wurden zu Flügeln, der Hals fuhr aus den
Achseln und war eine Elle lang, der Bart war verschwunden und den Körper
bedeckten weiche Federn.
"Ihr habt einen hübschen Schnabel, Herr Großvezier,"
sprach nach langem Erstaunen der Kalif. "Beim Bart des Propheten, so etwas
habe ich in meinem Leben nicht gesehen."
"Danke untertänigst," erwiderte der Großvezier, indem er
sich bückte; "aber wenn ich es wagen darf, möchte ich behaupten,
Eure Hoheit sehe als Storch beinahe noch hübscher aus denn als Kalif. Aber
kommt, wenn es Euch gefälliger ist, dass wir unsere Kameraden dort
belauschen und erfahren, ob wir wirklich Storchisch können."
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