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Der Drache
Neapolitanisches Märchen, Seite 4 ( von 6 )
Der König umarmte ihn mit äußerster Zärtlichkeit, und
ließ ihn bei sich niedersetzen. Gott weiß, wie das die Königin
kränkte; denn der vielfarbige Bogen, der sich auf ihrem Gesichte zeigte,
gab den Sturmwind zu erkennen, den sie in ihrem Herzen gegen den armen Muiccio
braute.
Nicht weit von dem Schlosse war ein furchtbarer Drache, der in derselben Geburt
mit der Königin geboren war, und als ihr Vater die Astrologen
zusammenberief, um diesen Vorfall zu deuten, sagte sie, dass seine Tochter
sicher sein würde, so lange der Drache sicher wäre, doch wenn Eines
stürbe, so sei das Andere auch genötigt zu sterben. - Eine Sache
allein könne alsdann die Königin wieder ins Leben zurückbringe,
wenn man nämlich ihre Brust, ihren Leib und ihre Nasenlöcher mit dem
Blute dieses Drachen salbte.
Die Königin nun, die die Wut und Stärke des Tieres kannte, fasste den
Gedanke, ihm den Miuccio in den Rachen zu liefern, fest überzeugt, dass er
nur einen Bissen aus diesem machen, und er gleich einer Erdbeere im Schlunde
eines Bären sein würde. - Deshalb wandte sie sich zu dem König
und sagte zu ihm: "Ohne Zweifel ist Miuccio der Schatz deines Hauses, und
du wärst undankbar, wenn du ihn nicht liebtest, besonders da er den Wunsch
geäußert hat, den Drachen zu töten, der, wiewohl mein Bruder,
doch dein sehr großer Feind ist, und mir ist ein Haar von meinem Gatten
lieber, als hundert Brüder."
Der König, der den Drachen tödlich hasste, und nicht wusste, wie er
ihn aus dem Wege räumen solle, rief sogleich den Miuccio und sagte:
"Ich weiß, dass du Allem, wenn du willst, Fesseln anlegen kannst;
deshalb, da du schon so viel getan hast, musst du mir noch eine Freude machen,
dann kannst du gehen, wohin du willst. - Eile, und töte den Drachen, du
erzeugst mir einen großen Dienst damit, und sollst eine gute Belohnung
dafür bekommen." - Als Miuccio diese Worte hörte, verlor er
beinahe den Verstand und sagte, sobald er wieder im Stande war, ein Wort zu
äußern, zu dem Könige: "Ist das nun der Kopfschmerz, wegen
dessen ihr mich zum Reiben angenommen habt? Ist es mein Leben die Milch einer
schwarzen Ziege, dass ihr so verschwenderisch damit umgeht? Dies ist kein
Befehl: "Komm, tritt mir auf den Nacken!" denn es ist ein Drache, der
mit seinen Klauen zerreißt, mit seinem Kopfe betäubt, mit seinem
Schwanze zerschlägt, mit seinen Zähnen zermalmt, mit seinen Augen
vergiftet. Ist das die Sinecure, zu der ihr mir verhelft, weil ich euch zum
Königreiche verholfen habe? Wer ist die schlechte Seele, die diesen
Würfel auf den Tisch gebracht hat? Wer ist der Höllensohn, der euch
auf diese Sprünge gebracht und mit diesen Worten geschwängert hat?
Der König, der so leicht wie eine Blase im Versprechen, aber fester als
ein Fels im Halten war, wenn er einmal etwas gesagt hatte, stampfte mit den
Füßen und schrie; "Hast getan, hast getan, und kannst nun das
Letzte nicht; aber kein Wort mehr; bringe mir die Plage aus dem
Königreiche, oder ich bringe dich um's Leben!" Der unglückliche
Miuccio, der da fühlte, dass ihm bald das Gesicht gestreichelt, bald ein
Schlag in den Nacken gegeben, dass er bald heiß, bald kalt empfangen
wurde, sah ein, wie Hofgunst veränderlich sei, und wünschte, den
König gar nicht mehr zu kennen. Da er aber wusste, dass einem
mächtigen dummen Manne zu antworten so gut ist, wie einem Löwen am
Barte zu zupfen, so ging er fort sein Schicksal verwünschend, das ihn an
den Hof geführt hatte, um seine Lebenstage abzukürzen, und setzte
sich nieder auf einer Stufe vor der Türe, mit dem Kopfe zwischen den
Knien, seine Schuhe mit seinen Tränen waschend, und den Boden mit seinen
Seufzern erwärmend, als - sieh! - der Vogel ankommt mit einem Kraut im
Schnabel, es dem Miuccio in den Schoße wirft und sagt: "Steh' auf
Miuccio, und beruhige dich; Du wirst nicht "Lad' ab den Esel" mit
deinen Tagen spielen, sondern "Puff" mit dem Drachen. Nimm dieses
Kraut, und wenn du an die Höhle des verhassten Tieres kommst, so wirf es
hinein; der Drache wird davon so entsetzlich müde werden, dass er sogleich
in tiefen Schlaf fällt, dann kannst du mit einem guten Messer durch
Stechen und Schneiden ihm bald den Rest geben. -
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