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Der Drache
Neapolitanisches Märchen, Seite 3 ( von 6 )
Der König, der den wunden Fleck berührt fühlte, rief sogleich
dem Miuccio und sagte zu ihm: "Ich bin sehr erstaunt, dass du, da ich dich
so innig liebe, die Macht gehabt hast, mir zu dem Sitze, von dem ich
gestürzt bin, wieder zu verhelfen, und dennoch so sorglos und untätig
bist, dich nicht bemühst, mich aus dem Elende, in dem ich jetzt bin, zu
erretten, da du mich doch von einer Stadt auf ein armseliges Schloss und von
der Herrschaft über so viele Leute darauf beschränkt siehst, von vier
Brot- und Suppenträgern bedient zu werden; wenn du nun nicht mein
Unglück willst, so eile gleich fort und blende die Augen der Fee, die mein
Eigentum inne hat; denn indem du ihre Läden schließest, öffnest
du das Warenlager meiner Größe - indem du ihre Laternen
auslöschest, zündest du die Lampen meiner Ehre an, die jetzt
trüb und finster sind.
Als Miuccio diesen Vorschlag hörte, wollte er dem König antworten, er
sei schlecht unterrichtet und irre sich; denn er sei kein Rabe, der Augen
aushacken oder ein Bohrer, der Löcher bohren könne.
Aber der König erwiderte: "Kein Wort mehr, ich will es haben, und es
muss geschehen. Mache deine Rechnung, damit ich in der Münze meines
Gehirns die Bilanz fertig habe, in der einen Schale die Belohnung, wenn du tust
, was ich dir sage; in der andern die Strafe, wenn du unterlässt, was ich
dir befehle."
Miuccio, der nicht gegen einen Felsen mit dem Kopfe laufen konnte, und mit
einem Manne zu tun hatte, der unglücklicher Weise unter der Herrschaft der
Königin stand, ging auf eine Brücke, sich zu beklagen; da kam der
Vogel und sagte zu ihm: "Ist es möglich, Miuccio, dass du dich immer
ins Wasser stürzen willst, um eines Glases Wasser wegen? Wenn ich tot
wäre, ja dann könntest du die Torheit begehen. Weißt du nicht,
dass ich dein Leben höher achte, als das meinige? Darum fasse Mut, komm
mit mir und du sollst sehen, was ein Vogel tun kann." Darauf flog er fort
und ließ sich in einem Walde nieder, wo er zu singen begann; da kam ein
ganzer Haufen Vögel um ihn herum, die er fragte, und ihnen versicherte,
dass derjenige, der die Hexe ihres Gesichtes beraube, eine Sauvegarde gegen
Habichte und Geyer, und eine Sicherheitskarte gegen Schießgewehre,
Armbrüste, Bögen und Leimruten der Vogelsteller haben solle.
Unter ihnen war eine Schwalbe, die ihr Nest an einem Balken des Palastes gebaut
hatte und die Hexe hasste, weil sie jedes Mal, wenn sie ihre verwünschten
Beschwörungen angefangen, sie mit den Räucherungen fortgetrieben
hatte; daher, teils aus Rache, teils um die Belohnung zu erhalten, bot sich
dieselbe an, den Auftrag auszuführen. Wie der Blitz so schnell, flog sie
in die Stadt, und in den Palast kommend, fand sie die Fee auf einem Lager
ausgestreckt, bei ihr zwei Jungfrauen, die ihr mit den Fächern Luft zu
wehten. die Schwalbe setzte sich gerade über die Augen der Fee hin,
ließ ihren Kot hinein fallen und beraubte jene auf dieser Weise des
Gesichts. Als nun die Fee Nacht am Mittag sah, so wusste sie, dass durch diese
Schließung des Zollhauses die Waren des Königs verloren gingen,
stieß das Geschrei einer verdammten Seele aus, ließ das Zepter
fahren und eilte, sich in gewissen Höhlen zu verstecken, wo sie, mit dem
Kopfe gegen die Wand laufend, ihre Tage endete.
Als die Hexe fort war, sandten die Minister eine Ambassade an den König,
ihn zu bitten, wieder zu kommen und sich des Hauses zu erfreuen, da die
Blindheit der Hexe diesen glücklichen Tag herbeigeführt habe.
Zugleich mit dieser Ambassade kam Miuccio an, der, auf des Vogels Anweisung, zu
dem König sagte. "Ich habe euch ehrlich gedient. Die Hexe ist
geblendet, das Königreich euer; verdiene ich daher Belohnung, so verlange
ich nichts weiter, als dass ich meinem eignen Schicksale überlassen werde,
ohne wieder solchen Gefahren ausgesetzt zu sein."
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