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Der Drache
Neapolitanisches Märchen, Seite 2 ( von 6 )
Unterdessen brachte Portiella einen schönen Knaben zur Welt, den sie unter
beständigem Beistande des Vogels aufsäugte. Als er aber stark
geworden war, riet die Fee seiner Mutter, das Loch größer zu machen,
und so viele Dinge aus dem Boden zu nehmen, als hinreichten, um Miuccio, so
hieß der Knabe, durchzulassen, wenn sie dieses nun getan und ihn an
einigen Stricken, die der Vogel herbeibrachte, herabgelassen habe, so solle sie
die Dielen wieder an ihre Stelle legen, damit man nicht sehen könne, woher
das Kind käme.
Portiella tat, wie der Vogel ihr gesagt hatte, prägte ihrem Sohne ein,
niemals zu sagen, woher er käme, noch wessen Kind er sei, und ließ
ihn hinab, als der Koch ausgegangen war. Als dieser nun bei seiner
Rückkehr den hübschen Knaben sah, fragte er ihn, wer er sei, woher er
käme, und was er wollte. Das Kind, der Ratschläge seiner Mutter
eingedenkt, sagte, er sei ein armer verlassener Knabe und suche einen Herrn.
als sie so miteinander sprachen, kam der Kellermeister herein, und da er sah,
dass der kleine Mann so viel Verstand habe, so dachte er, dieser würde
einen guten Pagen für den König abgeben. Deshalb führte er ihn
in die königlichen Zimmer, und als man ihn so hübsch und so
liebenswürdig fand, so nahm ihn der König in seinen Dienst als Page,
gewann ihn plötzlich sehr lieb, und ließ ihn in allen ritterlichen
Wissenschaften unterrichten, so dass er der vollkommenste junge Mann am Hofe
wurde. Der König liebt ihn weit mehr als seinen Stiefsohn, deshalb fing
die Königin an, ihn zu hassen und schlecht zu behandeln; ihr Hass nahm
immer mehr zu, je mehr Güte und Gnade der König dem Miuccio erzeigte.
- Sie entschloss sich daher, die Treppen seines Glücks so mit Seife zu
beschmieren, dass er von oben bis unten hinabfallen musste.
Demzufolge sagte sie eines Abends, als der König in guter Laune war, zu
ihm: - "Da ist Miuccio, der sich gerühmt hat, Schlösser in die
Luft bauen zu können." Der König, teils aus Verwirrung, teils um
seiner Gattin zu gefallen, ließ am folgenden Morgen, sobald der Mond, der
Schulmeister der Schatten, seinen Schüler einen Feiertag wegen des Festes
der Sonne gegeben hatte, Miuccio rufen, und befahl ihm, drei Schlösser in
der Luft zu bauen, wie er sich dessen gerühmt habe, sonst solle er selbst
einen Tanz in der Luft machen.
Als Miuccio das hörte, ging er auf sein Zimmer und begann bitterlich zu
klagen, indem er einsah, wie gläsern die Gunst der Fürsten ist, und
wie kurz ihre Gnade währet. Während er nun so weinte und klagte, kam
der Vogel zu ihm: "Ich bin im Stande, den Vogel aus dem Feuer zu ziehen.
Fasse Mut uns fürchte nichts, Miuccio, so lange du einen solchen Stamm zur
Stütze hast." - Darauf befahl er ihm, Pappe und Leim zu nehmen und
drei große Schlösser zu machen; dann ließ er drei Greife
kommen, band an jedes Schloss einen und diese flogen nun in die Luft. Miuccio
rief dann den König, der mit seinem ganzen Hofe herbeieilte, um das zu
sehen. Als er nun Miuccio's Gewandtheit gewahrte, liebte er ihn noch mehr und
verschwendete Liebkosungen aus der andern Welt an ihn; das trug aber Schnee zu
dem Neide der Königin und Feuer zu ihrem Zorn, da sie sah, dass Nichts ihr
gelang; deshalb wachte sie nie bei Tage, ohne daran zu denken, und schlief nie
bei Nacht, ohne von etwas zu träumen, das den Dorn in ihrem Auge aus dem
Wege räumen könnte.
Endlich kam sie nach eineigen Tagen zu dem Könige und sagte: "Mein
Gemahl, es ist Zeit, zu unserer Größe und den Freuden vergangener
Tage zurückzukehren; da Miuccio erklärt hat, er wolle die Fee blenden
und dadurch nun, dass er ihre Augen auszahlte, Euch zu Eurem verlorenen
Königreiche wieder verhelfe." -
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