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Der Sandmann
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 5 ( von 7 )
Dann fuhr Friedrich wieder nach Hause; er war wahrlich in vornehmer
Gesellschaft gewesen, aber er hatte auch ordentlich zusammenkriechen, sich
klein machen und Zinnsoldatenuniform anziehen müssen.
Freitag
"Es ist unglaublich, wie viel ältere Leute es gibt, die mich gar zu
gern haben möchten!" sagte der Sandmann; "es sind besonders die,
welche etwas Böses verübt haben. "Guter kleiner Sandmann",
sagen sie zu mir, "wir können die Augen nicht schließen, und so
liegen wir die ganze Nacht und sehen alle unsere bösen Taten, die wie
hässliche kleine Kobolde auf der Bettstelle sitzen und uns mit
heißem Wasser bespritzen; möchtest du doch kommen und sie fortjagen,
damit wir einen guten Schlaf bekämen"; und dann seufzen sie tief:
"Wir möchten es wahrlich gern bezahlen. Gute Nacht, Sandmann! Das
Geld liegt im Fenster." Aber ich tue es nicht für Geld", sagte
der Sandmann.
"Was wollen wir nun diese Nacht vornehmen?" fragte Friedrich.
"Ja, ich weiß nicht, ob du diese Nacht wieder Lust hast, zur
Hochzeit zu kommen; es ist eine andere Art, als die gestrige war. Deiner
Schwester große Puppe, die, welche wie ein Mann aussieht und Hermann
genannt wird, wird sich mit der Puppe Berta verheiraten; es ist obendrein der
Puppe Geburtstag, und deshalb werden da sehr viele Geschenke kommen!"
"Ja, das kenne ich schon", sagte Friedrich. "Immer wenn die
Puppen neue Kleider gebrauchen, lässt meine Schwester sie ihren Geburtstag
feiern oder Hochzeit halten; das ist sicher schon hundertmal geschehen!"
"Ja, aber diese Nacht ist es die hundert und erste Hochzeit, und wenn
hundert und eins aus ist, dann ist Alles vorbei! Deswegen wird auch diese so
ausgezeichnet. Sieh nur einmal!" Friedrich sah nach dem Tische. Da stand
das kleine Papphaus mit Licht in den Fenstern, und draußen davor
präsentierten alle Zinnsoldaten das Gewehr. Das Brautpaar saß ganz
gedankenvoll, wozu es wohl Ursache hatte, auf dem Fußboden und lehnte
sich gegen den Tischfuß. Aber der Sandmann, in den schwarzen Rock der
Großmutter gekleidet, traute sie. Als die Trauung vorbei war, stimmten
alle Möbel in der Stube folgenden Gesang an, welcher von der Bleifeder
geschrieben war; er ging nach Melodie des Zapfenstreichs.
Das Lied ertöne wie der Wind,
Dem Brautpaar Hoch! das sich verbind't;
Sie sprangen beide steif und blind,
-Hurra! Hurra! Ob taub und blind,
Wir singen es in Wetter und Wind!
Und nun bekamen sie Geschenke; aber sie hatte sich alle Esswaren verbeten, denn
sie hatten an ihrer Liebe genug.
"Wollen wir nun eine Sommerwohnung beziehen oder auf Reisen gehen?"
fragte der Bräutigam. Die Schwalbe, die viel gereist war, und die
Hofhenne, welche fünfmal Küken ausgebrütet hatte, wurde zur Rate
gezogen. Und die Schwalbe erzählte von den herrlichen, warmen
Ländern, wo die Weintrauben groß und schwer hängen, wo die Luft
so mild ist und die Berge Farbe haben, wie man sie hier gar nicht an denselben
kennt.
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