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Wassili
Boguslajewitsch
Russisches Märchen, Seite 4 ( von 6 )
Über diese kluge und bescheidene Antwort erstaunten die Posadniks, und
fingen an, heimlich untereinander zu zischeln und sich zu beraten. Als sie
ihren Entschluss gefasst hatten, füllte Tschudin einen großen Becher
mit starkem Weine, und reichte ihn dem Fürstlein mit folgenden Worten:
"Wer Großnowgorod und das Land der Slawen liebt, der leert diesen
Becher!" - Da konnte sich Wassili nicht weigern zu trinken; er nahm den
Becher und leerte ihn bis auf den letzten Tropfen. Als nun die Posadniks wieder
anfingen zu prahlen, so wirkte der starke Wein, und Wassili konnte sich nicht
länger halten: "Hört", rief er, "ihr Prahlhänse!
hört, wer Wassili Boguslajewitsch ist, und schweiget. Wassili ist Herr von
Russland, und das ganze Land der Slawen ist ihm untertan. Nowgorod muss ihm
Steuern und Gaben zollen, und die Posadniks sollen sich vor ihm neigen."-
Diese Worte machten die Posadniks toll und rasend. Sie sprangen von ihren
Sitzen und schrieen durcheinander: "Nein, du sollst nicht über
Russland herrschen, und wir werden uns nicht vor dir neigen. du bist wild und
grausam, und überhaupt brauchen wir keinen Herrscher. Darum verlasse
unsere Stadt und unser Land, und zwar morgen am Tage; und gehst du nicht
gutwillig, so werden wir dich zu zwingen wissen."
"Ich fürchte weder euch noch sonst Jemanden," antwortete
Wassili, "versammelt meinetwegen die ganze nowgorodsche Macht, ich nehme
es mit ihr auf, und wir wollen sehen, ob ihr mich zwingen werdet, mein Land zu
verlassen; denn Nowgorod und das Land der Slawen ist mein, und ihr seid meine
Untertanen." - Mit diesen Worten stand er auf, ging mitten durch die
erschrockenen Posadniks, die ihm von allen Seiten Platz machten, hindurch, und
verließ den Saal und das Rathaus.
Als er fort war, erholten sich die Posadniks nach und nach von ihrer
Bestürzung. Sie lachten nun über die Prahlereien des Knaben, wie sie
ihn nannten. doch beschlossen sie auf alle Fälle, die Kriegsmacht
Nowgorods zu versammeln, um das Fürstlein zum Abzug zu zwingen.
"Seine jungen Knochen," rief Satka, "werden auf der Haide
bleichen, unter Regen und Schnee, denn wie kann der Knabe gegen uns
bestehen?" -
Die Sturmglocke ertönte nun in der ganzen Stadt, und die streitbare
Mannschaft versammelte sich auf dem Markte. Als die brave Matrone Amelpha
Timophejewna das hörte, erkundigte sie sich nach der Ursache, und da sie
erfuhr, wie Wassili die Posadniks durch kühne Worte erzürnt habe,
ging sie zu ihm in das hohe Gemach, und strafte ihn mit ernsten Worten für
seine Unbesonnenheit. Da sie aber merkte, dass er berauscht war, so nahm sie
ihn bei der Hand und führte ihn in den Keller, wo sie ihn bleiben
hieß, bis er den Rausch ausgeschlafen habe.
Darauf eilte sie in ihre Schatzkammer und nahm eine goldenen Schale,
füllte sie mit Edelsteinen, Rubinen, Smaragden und Diamanten, und ging in
Begleitung ihrer Frauen auf das Rathaus zu den versammelten Posadniks. Als sie
in den Saal trat, neigte sie sich sehr tief, setzte die goldenen Schale auf den
Tisch, und redete ihnen sanft und freundlich zu, sie möchten ihrem
Söhnlein die unbesonnenen Worte vergeben, die er im Rausche
ausgestoßen habe. Er sei noch jung, und wenn sie es nicht seinet- und
ihretwegen tun wollten, so möchten sie es aus Liebe zu ihrem verstorbenen
Fürsten Boguslai tun, der sich so wohl verdient um sie und Nowgorod
gemacht habe.
Aber diese freundlichen und demütigenden Worte machten die Posadniks noch
stolzer, und sie antworteten der Fürstin ungeziemend und grob. "Packe
dich fort, altes Weib!" riefen sie wild durch einander, "mit dir
haben wir nichts zu schaffen.
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