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Wassili
Boguslajewitsch
Russisches Märchen, Seite 2 ( von 6 )
So riefen die Herolde von Morgens bis zum Abend, aber es wollte Niemand kommen.
Unterdessen schaute Wassili Boguslajewitsch aus dem hohen Gemache durch das
vergitterte Fenster mit Sehnsucht nach seinen Kameraden umher; aber die
Fässer standen unangerührt, und keine Gäste stellten sich ein.
Endlich spät gegen Abend erschien Fomuschka der dicke an dem Tore des
Schlosses, trat zu den Fässern von Eichenholz, ergriff die schwere goldne
Schale, schöpfte sie voll Met und leerte sie auf einen Zug. Als Wassili
das sah, eilte er aus dem hohen Gemache auf den geräumigen Hof zu zu
Fomuschka dem Dicken, und schlug ihn mit seiner schweren Keule gewaltig hinter
das rechte Ohr. Formuschka blieb von dem Schlage unerschüttert, und kaum
bewegten sich seine schwarzen krausen Locken. Darüber hüpfte dem
Fürstlein das Herz vor Freude. Er nahm den Fomuschka bei der Hand, und
führte ihn die hohe Treppe hinauf in sein goldnes Gemach. Hier umhalset er
ihn und sie wechselten nun das Ritterwort, immer und ewig Brüder zu sein,
für einander zu leben und zu sterben, aus einem Becher zu trinken und aus
einer Schüssel zu essen. Darauf nötigte ihn Wassili hinter den Tisch
von Eichenholz, setzte ihm Zuckerbrot und Wein vor, und sie aßen und
tranken in Lust und Fröhlichkeit.
Am andern Morgen, als Wassili wieder aus dem hohem Gemache durch das
vergitterte Fenster schaute, ob sich nicht ein anderer Gast den vollen
Fässern näherte, da sah er Bogdanuschka den Kleinen, der zu dem Fass
mit Bier trat, das goldene Trinkgeschirr auf die Erde warf, das Fass in die
Höhe hob, und es auf einen Zug austrank. Da rief das Fürstlein
Fomuschka, und sie eilten auf den Hof an die weiten Tore, und schlugen
Bogdanuschka mit ihren schweren Lanzen aus aller Kraft auf den muntern Kopf.
Aber die Lanzen zersplitterten, und Bogdanuschka blieb unerschüttert. Da
gaben sie ihm die Hand und führte ihn über den geräumigen Hof
und die schöne Treppe nach dem goldenen Gemache. Hier umarmten sie sich,
und schwuren sich Treue und Bruderliebe bis in den Tod.
Bald erscholl das Gerücht in der Stadt, Wassili Boguslajewitsch habe sich
die tapfersten Jünglinge zu Kameraden gewählt und lebe mit ihnen
brüderlich. Darüber wurden die Posadniks unruhig, und versammelten
sich auf dem Rathause, um darüber Rat zu pflegen. Als sie alle an ihren
Plätzen waren, trat der alte kluge Tschudin in die Mitte des Saales,
neigte sich gegen alle vier Seiten, und nachdem er seinen schneeweißen
Bart einige Mal gestrichen hatte, hub er also an: "Hört mich, ihr
Posadniks von Nowgorod, und ihr andern hier versammelten slawischen
Männer! Ihr wisset, das unser Land one Fürsten ist, denn Boguslai's
Sohn ist noch unmündig, und bis das Herrlein heranwächst und zu
reifen Verstande kommt, sind wir die Herren von Nowgorod und seinem Gebiete.
Aber dieser Knabe, der dereinst über uns herrschen wird, verspricht nicht
viel Gutes. Kaum ist er aus den Jahren der Kindheit getreten, und schon ist
sein Wesen bösartig und wild, und selbst seine Belustigungen bestehen in
Grausamkeiten. Wie viele Witwen und Waisen hat er nicht durch seine Kurzweil
gemacht! Und nun zieht er die mutigsten und tapfersten Jünglinge an sich
und lebt mit ihnen brüderlich. Warum tut er das? Hat er dabei wohl gute
Absichten? Das müssen wir erfahren. Lasst uns ein Fest anstellen, und das
Fürstlein dazu einladen! Da können wir ihn prüfen, wie er gegen
uns und das Land gesinnt ist. Wir bringen ihm einen Becher mit Wein zu; trinkt
er nicht, so hat er Böses im Sinn, und trinkt er, so plaudert er uns
gewiss, was er im Schilde führt, denn im Weine ist Wahrheit. Bemerken wir
nun, dass er es nicht gut mit uns und dem Lande meint, so machen wir es kurz,
und reißen ihm den Kopf ab. Denn es gibt ja mehrere Fürsten in
Russland, aus denen wir einen nach unserm Herzen wählen können; und
wäre das nicht, nun Brüder, - so können wir uns auch wohl ohne
Fürsten behelfen." -
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