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Wassili
Boguslajewitsch
Russisches Märchen, Seite 3 ( von 6 )
Da standen die Posadniks alle auf und neigten sich vor dem klugen Tschudin, und
riefen mit einer Stimme: "Du hast weise gesprochen. Es geschehe, wie du
gesagt hast." -
Und am folgenden Morgen mit Tagesanbruch machte man Anstalt zum Feste. Auf dem
großen Saale des Rathauses stellte man Tische von Eichenholz und bedeckte
sie mit weißen Tüchern. Darauf brachte man Zuckerwerk und
eingemachte Früchte, und ordnete Alles zierlich. An den Wänden umher
standen Fässer mit Wein und Bier, und daneben hingen die reinlichen
Trinkgeschirre von Gold und Silber und kostbarem Holze. Als Alles in Ordnung
war, wurden einige der Posadniks auf die Burg geschickt, um die Fürstin
und ihren Sohn zum Feste einzuladen. Nachdem sie ihre Worte angebracht hatten,
antwortete ihnen die brave Matrone Amelpha Timophejewna folgendermaßen:
"Für mich ist Spiel und Tanz vorbei, das Lachen ist vorüber.
Damals als meine Sonne noch schien, als Boguslai, mein Gemahl und euer
Fürst, noch lebte, da war ich auch lustig und fröhlich; aber jetzt,
da meine Sonne nicht mehr scheint, sitz' ich traurig und einsam in meinem
Gemache. Doch vielleicht ziert mein Sohn Wassili euer Fest mit seiner Jugend,
wenn ihr ihn selbst dazu ladet." - Auf diese Wort eilten die Posadniks zu
dem Fürstlein, und baten ihn mit vielen höflichen Worten, ihr
Ehrenmahl mit seiner Jugend zu zieren, und das Fürstlein versprach ihnen,
zu kommen, wenn es seine Mutter erlaube. Darauf ging er zu seiner Mutter und
bat sie um Erlaubnis, dem Feste der Nowgoroder beizuwohnen. die Fürstin
gewährte ihm diese Bitte, gab ihm aber dabei manche gute Lehre über
seine Aufführung unter den verschmitzten Posadniks, die sie sehr gut
kannte. "Trinke," sagte sie, "trinke mein Sohn, nur trinke nicht
zu viel; denn die Posadniks sind listig, sie werden dich prüfen wollen.
Darum sei auf der Hut. Und fangen sie an zu prahlen mit ihrer Stärke,
ihrer Klugheit, ihrem Reichtum, so lass sie prahlen. Schweige und prahle mit
nichts. Vor allen Dingen aber sei höflich und freundlich, und beleidige
Niemanden durch Grobheit." - Nach diesen Worten küsste sie ihn, und
Wassili ging zum Feste.
An der Treppe des Rathauses empfingen ihn die Posadniks und führten ihn
hinauf in den Saal. Hier wiesen sie ihm den ersten Platz an. Aber das
Fürstlein dankte ihnen für die Ehre, und setzte sich unten an. Da
nahmen ihn die Posadniks unter die Arme, und führten ihn an die erste
Stelle. "Hierher setze dich, Fürstensohn," sagten sie, "das
ist dein Platz. Hier hat dein Vater Boguslai oft gesessen." - Nun reichten
sie ihm einen Becher mit süßem Weine und Wassili trank und aß
dazu von dem Zuckerwerk und den eingemachten Früchten, die sie ihm
vorsetzten. Dabei aber saß er wie eine Jungfer, ohne ein Wort zu sagen.
Unterdessen fingen die Posadniks an lustig zu werden. Sie schwatzten hin und
her, endlich ging es ans Prahlen. Der eine prahlte mit diesem, der Andere mit
jenem. Dieser lobte sein gutes Pferd, Jener sein junges Weib. Der Eine
rühmte sich seiner Stärke, der Andere seines Reichtums und der Dritte
seiner Klugheit. Alle schrieen durcheinander und Einer suchte es dem andern
zuvor zu tun. Aber Wassili Boguslajewitsch ließ sich nicht
verführen, er saß still und schweigend da, und ließ die Andern
prahlen, wie sie wollten, ohne sich drein zu mengen. Da wandten sich zwei der
vornehmsten Posadniks, der kluge Tschudin und der reiche Satka, an ihn und
redeten ihn also an: "Warum sitzest du so still und einsam,
Fürstlein? Du hast ja genug, womit du dich rühmen kannst, und doch
schweigst du?" - Darauf antwortete ihnen der Jüngling mit
bescheidener Miene: "Ihr seid ehrenvolle und würdige Männer,
Posadniks, und es geziemt euch, frei und keck zu reden. Aber wie würde es
mir anstehen, vor euch zu prahlen, der ich noch jung und eine vaterlose Waise
bin? Zwar hab' ich Gold und Silber und Schätze; aber ich habe sie nicht
gesammelt. Einst kommt auch meine Zeit, und dann wird' ich auch ein Wort reden
können." -
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