|
Tschurilo
Plenkowitzsch
Russisches Märchen, Seite 3 ( von 5 )
Unterdessen hatte Felsensturz einen ungeheuren Stein aufgehoben, und war im
Begriff, ihn auf den Ritter zu werfen; aber indem er dazu ausholte, gab ihm
Tschurilo einen so fürchterlichen Stoß mit dem fuße, dass er
das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte, wo ihn der Stein
erdrückte. Der Sieg und die Rettung des Mädchens waren also
entschieden. die freudetrunkene Prelepa warf sich dem Ritter zu
Füßen und dankte ihm in den rührendsten Ausdrücken
für ihre Rettung. Tschurilo hob sie freundlich auf und bat sie, ihn nun zu
der Höhle des Druiden zu führen, wo ihr Vater und ihre Brüder
gefangen gehalten wurden; aber Prelepa wusste den Eingang der Höhle nicht
genau anzugeben, sie vermutete nur, dass er in dem nahegelegenen Walde sei, aus
welchem der Druide gewöhnlich gekommen war, wenn er sie des Morgens
besucht hatte. Der Ritter nahm die Jungfrau hinter sich aufs Ross und ritt nach
dem Walde. Aber er durchritt ihn in die Kreuz und in die Quer, wie ihn die
reizende Prelepa, die sich fest an ihn hielt, reiten hieß, ohne die
Wohnung des Druiden zu finden, und endlich hatten sie sich so verirrt, dass ihm
Prelepa gestand, sie wisse selbst nicht mehr, wo sie wären, und nach
welcher Seite sie sich wenden müssten, um die Höhle zu finden. Es war
Nacht; die Jungfrau klagte über Müdigkeit und so musste sich
Tschurilo schon entschließen, im Walde zu übernachten und die
weiteren Nachforschungen bis auf den kommenden Tag zu verschieben. Er stieg am
Rande einer sanft murmelnden Quelle ab, und hob die Jungfrau höflich aus
dem Sattel. Nachdem sie sich durch einen Trunk aus der frischen Quelle gelabt
und einige Bissen aus dem Reisevorrat des Ritters gegessen hatten, warfen sie
sich beide ins hohe Gras, um hier zu übernachten. Doch vergaß
Prelepa, so unschuldig sie auch war, nicht, den Ritter zu erinnern, er
möge hübsch bescheiden sein, wobei sie sich aber unter dem Vorwande
der Furcht, so hart an ihn anschmiegte, dass es dem guten Tschurilo wohl zu
verzeihen gewesen wäre, wenn er die Ermahnung des Mädchens geradezu
als eine Aufforderung zum Gegenteil angesehen hätte.-
Schon stand die Sonne hoch am Himmel, als Prelepa sich ungern den Armen des -
Schlafes entriss und dem wackern Ritter zögernd zur neuen Wanderung
folgte. - Heute schien dem irrenden Paare ein glücklicherer Stern, als
gestern. Kaum waren sie eine halbe Stunde geritten, als sie auf einem
Fußsteig gerieten, der sie durch mancherlei Krümmungen zu einer
eisernen Falltüre führte. Prelepa zweifelte nicht, das hier der
Eingang zur Höhle sei. Tschurilo sprang vom Pferde und eilte, die
Türe aufzuheben, aber, waren es die Beschwerlichkeiten, die er in den
letzten vier und zwanzig Stunden erduldet hatte, oder war Zauberei im Spiele -
genug, er konnte die Tür nicht aufheben. Als die Jungfrau dies sah, rief
sie ihm schalkhaft lächelnd zu: "Ei, ei, starker Ritter! ich werde
euch wohl zur Hilfe kommen müssen, die Tür zu öffnen." -
Tschurilo lachte über den Einfall des Mädchens; aber Prelepa
versicherte ihn ernsthaft, dass sie die Tür sogleich öffnen wolle,
wenn es ihm beliebe. Der Ritter, der sich nur wenig auf die Künste der
Weiber verstand, meinte, das wäre nun wohl unmöglich, da seine
Ritterkraft, von der sie doch solche Proben gesehen habe, nicht hinreiche, die
Türe auch nur zu lüften. - "Ungläubiger", rief
Prelepa, indem sie vom Pferde stieg und nach der Tür eilte, ich will dir
zeigen, dass Weiberlist manchmal mehr vermag, als die stärke des
Mannes." - Und dabei klopfte sie mit einem Steine an die eiserne Türe
und rief mit lauter Stimme: "Mache auf, Kiwida! Prelepa, deine Braut, ist
da!" - Der Druide, der Prelepa mit seinen Neffen schon am vorigen Tage
erwartet hatte, harrte voll Ungeduld auf der Treppe, die zu seiner Wohnung
führte und horchte, ob die reizende Braut nicht bald käme. Voll
entzücken öffnete er nun die Türe, da er ihre Stimme hörte.
Aber seine Freude verwandelte sich in Schrecken und Wut, als er anstatt seiner
Neffen, einen fremden Ritter erblickte, hinter welchem sich Prelepa versteckte,
so bald er sich zeigte. Wer bist du, Tollkühner!" rief er und blieb
auf der obern Stufe der Treppe stehen, "den ich hier mit meiner Braut
allein finde?
|
|