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Tschurilo
Plenkowitzsch
Russisches Märchen, Seite 2 ( von 5 )
Da er zu seinen Arbeiten mancherlei Kräuter braucht, so durchstreift er
oft die umliegenden Gegenden und sammelt die kräftigen Pflanzen. Oft hatt`
ich ihn auf seinen Wanderungen gesehen, aber immer war ich so glücklich
gewesen, mich seinen Blicken zu entziehen, denn ich fürchtete mich vor
seinem hässlichen und widerlichen Ansehen eben so sehr, als vor seiner
Gewalt. Aber an jedem Morgen stand er unversehens vor mir, und sein erster
Blick auf mich zeigte mir mein Unglück. Er fasste mich freundlich grinsend
bei der Hand und erklärte mir in hochtrabenden Worten seine Liebe. Ich
wies ihn mit spöttischen Lächeln zurück, und berief mich vor
allem auf mein Gelübde der Keuschheit. Aber dies schreckte ihn nicht ab.
Er kam alle Morgen wieder und suchte mein hartes Herz, wie er es nannte, zu
erweichen. Endlich verlor ich die Geduld und schwur ihm, seinen rohen Bart mit
einem Brande aus dem heiligen Feuer zu verbrennen, wenn er mich nicht in Ruhe
ließe. Darüber geriet er in Zorn, denn sein hässlicher Bart
geht ihm über Alles, und er schwur mir wieder, dass ich sein werden
sollte, auch wider meinen Willen. Wer wolle meinen Vater zwingen, mein
priesterliches Gelübde zu lösen, und mich in seine Arme zu liefern.
Und leider! hielt er seinen Schwur. Da er für seine Person auf der
Oberfläche der Erde keinen Gebrauch von seinem Wunderwasser machen kann:
so brachte er drei Jünglinge von seiner Verwandtschaft durch dieses
Geschenk dahin, dass sie ihm eidlich angeloben mussten, ihre durch das
Wunderwasser erhaltenen Kräfte vor allen Dingen zur Erlangung seiner
Wünsche anzuwenden. Er gab Jedem von ihnen ein glas diese Wassers zu
trinken, und sogleich erhielten sie eine unglaubliche Stärke. Der Erste
riss die stärksten Eichen mit der Wurzel aus der Erde, der Zweite
stürzte Felsen um, und der Dritte wickelte die größten Steine
in seinen langen Knebelbart, und schleuderte sie, so weit das Auge reichte.
Deswegen nannte der Druide den Ersten auch Eichenbruch, den Zweiten Felsensturz
und den Dritten Starkbart. Als sie ihre Kräfte auf diese Weise
hinlänglich erprobt hatten, sandte sie der Druide zu meinem Vater, um in
seinen Namen um mich zu werben. Mein Vater wies die Freiwerber verächtlich
ab; aber dies kam ihm teuer zu stehen. Starkbart schlang seinen Knebelbart um
die oberpriesterlichen Wohnung und schleuderte sie in's Meer, während
Eichenbruch und Felsensturz meinem Vater und meine Brüder auf ihre starken
Schultern luden und sie nach der Höhle des Druiden trugen. Hier drohte man
meinem Vater mit dem grausamsten Tode, wenn er mich nicht unverzüglich von
dem Gelübde der Priesterschaft losspräche und seine Einwilligung zu
meiner Verbindung mit dem Druiden gäbe. Was sollte der gute Vater machen?
Er musste der Gewalt weichen, und die Wünsche Kriwida's erfüllen. -
Heute hab' ich nun zum letzten Male des heiligen Feuers gewartet,"
beschloss Prelepa unter Tränen ihre Erzählung, und ich sehe alle
Augenblicke der Ankunft der drei starken Freiwerber entgegen, die mich zu dem
ungestalten Kriwida schleppen sollen." -
"Mögen sie kommen," antwortete Tschurilo der weinenden Jungfrau;
"Wir wollen sehen, was sie gegen die Götter Russlands und Wladimirs
Ritter vermögen." - Prelepa kannte weder Russland, noch Wladimir,
aber sie hatte Zutrauen zu dem Ritter, und sie überließ sich gern
seinem Schutze.
Kaum hatte sie Zeit, ihm das zu versichern. - Die drei Brüder erschienen.
Das Mädchen verbarg sich zitternd hinter dem Ritter. "Wer bist du,
Waghals," schrie Eichenbruch dem Ritter entgegen, "dass du es wagst,
mit der Braut des weisen Druiden Kriwida zu kosen?" - Auf diese Frage
antwortete Tschurilo bloß mit einem Hiebe seiner Peitsche, und dies
reichte hin, die Unterhaltung zu endigen. - Eichenbruch stürzte entseelt
zu den Füßen seiner Brüder. - "Wie?" schrie
Starkbart, indem er seinen Knebelbart strich, "Du fängst noch Handel
an? Warte" - aber Tschurilo ließ ihn nicht ausreden. Er packte ihn
bei seinem Knebelbart und warf ihn so unsanft zu Boden, dass er das Aufstehen
vergaß.
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