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Die Flasche
Irisches Märchen, Seite 6 ( von 6 )
"Ja wohl, Herr, noch besser. Wenn's Euch beliebt, so will ich sie Euch vor
allen Herrn und Damen zeigen."
"Tretet nur herein," sprach der Gutsherr, und Michael ward in den
Saal geführt, wo er seine alte Flasche erblickte, die oben auf dem Gesimse
stand. "Sieh da!" sagte er zu sich selbst, "vielleicht habe ich
dich in kurzem wieder!"
"Wohlan!" sagte der Gutsherr, "zeigt her Eure Flasche!"
Michael setzte sie auf den Boden und sprach die Zauberworte. In einem
Augenblick lag der Gutsherr danieder, Damen und Herren, Bediente und wer sonst
zugegen war, rannten, schrieen, wälzten sich, stießen mit den
Füßen und heulten. Becher und Teller rollten nach allen Seiten hin,
als der Gutsherr endlich ausrief: "Bring diese zwei Teufel zur Ruhe,
Michael Purcell, oder ich lasse Dich aufhängen."
"Nicht eher sollen sie aufhören", sagte Michael, "als bis
ihr mir die Flasche wiedergebet, die ich dort oben auf dem Gesims sehe."
"Holt sie ihm herab," sagte der Herr, "ehe wir alle ermordet
sind."
Michael steckte die alte Flasche vor seine Brust, die Männer sprangen
wieder in die neue hinein und er trug sie beide heim. Was soll ich noch weiter
erzählen, dass Michael reicher ward als zuvor, dass sein Sohn die Tochter
des Gutsherrn heiratete, dass er und sein Weib in hohem Alter starben und bei
ihrer Leichenfeier einige Diener in Streit gerieten und die Flaschen
zerbrachen! Doch der Berg hat noch immer den Namen und wird wohl Flaschenberg
heißen bis ans Ende der Welt.
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