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Die Flasche
Irisches Märchen, Seite 3 ( von 6 )
Michael wollte eben sagen: "Das verhüte Gott! aber der Kleine setzte
hinzu (und Michael war zu aufmerksam, um etwas zu sagen, das ihn schweigen
gemacht hätte und viel zu höflich, als Jemanden in der Rede zu
unterbrechen): "Dann sollt ihr wissen, es wird so viel Vieh auf dem Markt
sein, dass Ihr zu einem geringen Preis losschlagen müsst und vielleicht
fallt Ihr, wenn Ihr nach Hause geht, noch Räubern in die Hände. Doch
wozu sage ich Euch das alles, da Ihr entschlossen seid, Euer Glück von
Euch zu stoßen!"
"O nein, Herr, mein Glück möchte ich nicht von mir
stoßen", sagte Michael, und wäre ich gewiss, dass die Flasche
so gut ist, als Ihr sagt, obgleich ich niemals großen Gefallen zu einer
leeren Flasche gehabt, wenn ich sie auch selbst ausgetrunken hatte, so wollte
ich Euch die Kuh geben im Namen -"
"Bekümmert Euch nicht um Namen," unterbrach ihn der Kleine,
sondern gebt mir die Kuh; ich habe Euch keine Unwahrheit gesagt, und wenn Ihr
damit heim kommt, so tut genau, was ich Euch heißen werde."
Michael zögerte.
"Wohlan," sagte der Fremde, "guten Tag, Michael Purcell, ich
kann nicht länger warten. Noch einmal, nehmt sie hin und seid reich;
schlagt sie aus und bettelt für Euren Lebensunterhalt, seht eure Kinder in
Armut Euer Weib sterbend vor Mangel: das wird Euer Schicksal sein, Michael
Purcell." Bei diesen Worten lächelte der Kleine boshaft, was seinen
Anblick noch grausenhafte machte.
"Mag sein! ist wohl wahr!" sagte Michael immer noch zaudernd und
unschlüssig, was er tun sollte. Er konnte nicht anders, er musste dem
alten Manne glauben, und endlich im Anfall von Verzweiflung griff er nach der
Flasche und sagte: "Nehmt die Kuh, und wenn Ihr mich belogen habt, so wird
euch der Fluch des Armen treffen."
"Ich achte weder auf Euern Fluch, noch auf Euern Segen, , Michael Purcell,
aber ich habe die Wahrheit gesprochen, das werdet Ihr noch heute Abend
erfahren, wenn Ihr tut was ich Euch sage."
"Was soll ich tun?" fragte Michael.
"Wenn ihr heim kommt, so kümmert Euch nicht darum, dass Euer Weib
ärgerlich ist, sondern bleibt selbst gelassen und heißt sie die Flur
sauber kehren, setzt den Tisch zurecht und deckt ein weißes Tuch
darüber, dann stellt die Flasche auf den Boden und sprecht die Worte:
"Flasche tue deine Schuldigkeit", und Ihr werdet den Erfolg
sehen."
"Und das ist Alles?" fragte Mick.
"Nichts weiter," sagte der Kleine. "Guten Tag, Michael Purcell,
Ihr seid ein reicher Mann."
"Das gebe Gott!" sagte Michael, als der alte Mann die Kuh forttrieb
und er wieder auf dem Heimweg war; doch konnte er nicht umhin, den Kopf
umzudrehen und dem Käufer seiner Kuh nachzusehen, bis er ganz verschwunden
war.
"Gott behüte und bewahre uns!" rief Michael, "der
gehört nicht dieser Welt an. Aber wo ist meine Kuh?" Sie war fort und
Michael ging heimwärts, Gebete für sich hersagend und seine Flasche
festhaltend.
"Was wollt' ich anfangen," dachte er, "wenn sie mir
zerbräche, doch dafür will ich tun", und steckte sie vor seine
Brust, besorgt über den Erfolg und zweifelhaft über den Empfang, den
er bei seiner Frau zu erwarten hatte. Während der Sorge und Erwartung,
Furcht und Hoffnung gegen einander abwog, erreichte er Abends seine Hütte
und überraschte seine Frau, die bei dem Torffeuer am Herde saß.
"Ei, Michael, Du bist wieder da! gewiss bist Du nicht nach Cork gekommen!
Sprich, was ist dir begegnet? Wo ist die Kuh? Hast Du sie verkauft? Wie viel
hast Du dafür gelöst? Was gibt's Neues? Erzähl' mir davon."
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