Maerchen.org - Geschichte der Spinne mit dem Winde
Impressum

   Märchen von ...
   Gebrüder Grimm
   Ludwig Bechstein
   Wolf
   Hans Christian Andersen
   Hauff
   ETA Hoffmann
   Tausendundeine Nacht


   Märchen aus aller Welt
   neuere Märchen

   beliebte Märchen
   Schneewittchen
   Dornröschen
   Rapunzel
   Rotkäppchen
   Aschenputtel
   Hänsel und Gretel
   Bremer Stadtmusikanten
   Der Froschkönig
   Das hässliche Entlein


   Alice im Wunderland
   illustriert
   und auf englisch




   Links ins Internet
   Märchenseiten
   Literaturseiten
   Internetseiten



Geschichte der Spinne mit dem Winde

Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 6 )

Wisse, o König! Eine Spinne setzte sich einst an einem hohen Mastbaume fest, baute sich dort ihr Haus, wohnte darin in voller Ruhe und dankte Gott für den sichern Zufluchtsort, den sie gefunden. Aber nach einiger Zeit wollte Gott ihre Geduld und Ausdauer prüfen; er ließ einen heftigen Sturm wehen, der sie samt ihrem Hause wegriss und auf das tobende Meer schleuderte. Aber bald trieben die Wellen sie wieder an's Land und sie dankte Gott für ihre Rettung; doch stellt sie den Wind zur Rede und sagte: "Warum hast du aus meiner Wohnung mich vertrieben, ist das von Gott erlaubt?" Der Wind antwortete: "O Spinne! weißt du nicht, dass diese Welt eine Wohnung des Unglücks ist? wem hat je das Glück immer gelächelt? weißt du nicht, dass Gott seine Geschöpfe versucht, um ihre Geduld zu prüfen? was klagst du, da er dich aus dem furchtbaren Meer gerettet? Die Spinne antwortete: "Du hast Recht, ich bin Gott Dank schuldig und ich vertraue ihm auch, er wird in diesem fremden Lande mein Führer sein und mich in meine Heimat zurückbringen." Hierauf versetzte der Wind: "Ich selbst hoffe mit dem nächsten Westwinde dich wieder mitzunehmen, weil du so dankbar und so gottergeben bist; vertraue nur auf Gott; wer ihm vertraut, dem kommt er entgegen, wer mit Geduld ausharrt, der erreicht das Ziel." Die spinne betete nun mit noch mehr Hingebung zu Gott; Gott erhörte ihr Gebet und gebot einem sanften Winde, sie wieder in ihre Heimat zu tragen. - "So wollen auch wir jetzt zu Gott beten, der lange deine Ausdauer geprüft und nun in deinem Alter dir noch einen Sohn geschenkt hat, dass er diesem verleihe, was er dir an Macht und Ruhm verliehen." Als der König die sieben Veziere vernommen und ihnen für ihr Lob und ihre Glückwünsche gedankt hatte, sagte er: "Wisset, o Veziere! Gottes Beschluss ist unabänderlich, sein Wille geschehe an meinem Sohne; was er voraus bestimmt hat, trifft sicher ein, als Alles, was ihr von dessen Widerspenstigkeit und Treulosigkeit voraussehet; lasset uns hoffen, dass Gott ihn segnen und zu einem frommen, tugendhaften Regenten heranwachsen lassen wird! Amen."
Hierauf erhoben sich die Veziere und verbeugten sich vor dem König, der sie mit reichen Geschenken entließ. Dann ging der König zu seinem Sohne, küsste und segnete ihn und nannte ihn Wardchan. Als der Prinz zwölf Jahre alt war, ließ ihm der König ein Schloss bauen mit dreihundert und sechzig Gemächern, und übergab ihn drei Lehrern, die ihn in allen Wissenschaften unterrichten sollten. Sie mussten jeden Tag in einem andern Zimmer zubringen, und wenn sie es verließen, auf die Türe schreiben, was der Prinz an diesem Tage gelernt, und alle sieben Tage dem König Bericht erstatten. Da der Prinz viel Verstand, Geist und Gedächtnis hatte, auch mit derselben Lust die Lehren aufnahm, wie ein Kranker ein Arzneimittel, durch welches er seine Gesundheit wieder zu erlangen hofft, so bezeichneten sie dem König ihre Zufriedenheit mit demselben und sagten ihm, sie hätten in ihrem Leben keinen Schüler gehabt, der Alles so leicht begreife; sie scheuten auch daher keine Mühe, um ihn Alles zu lehren, was sie wussten, weshalb ihnen der König immer mehr Ehre erwies. Bald übertraf Wardchan alle seine Zeitgenossen in seinen Kenntnissen, und die Lehrer stellten ihn seinem Vater vor mit den Worten: "Freue dich o König! mit deinem Sohne, der Alles gelernt hat, was wir selbst wissen." Der entzückte König dankte Gott, ließ den Vezier Schimas rufen und teilte ihm die Worte der Lehrer seines Sohnes mit. Der Vezier sagte: "Der rote Rubin glänzt auch aus dem härtesten Gebirge hervor; dein Sohn aber ist eine kostbare Perle, aus andern edlen Perlen entsprungen, und sein reicher Verstand stimmt mit seiner schönen Gestalt überein. Nun halte ich es für angemessen, o König! dass du morgen alle Veziere und Gelehrten und Philosophen zusammen berufest, damit sie öffentlich sich mit dem Prinzen unterhalten und ein Jeder sich von seinen Kenntnissen überzeuge."

Seite: Seite 1 - Geschichte der Spinne mit dem Winde   Seite 2 - Geschichte der Spinne mit dem Winde   Seite 3 - Geschichte der Spinne mit dem Winde   Seite 4 - Geschichte der Spinne mit dem Winde   Seite 5 - Geschichte der Spinne mit dem Winde   Seite 6 - Geschichte der Spinne mit dem Winde






Maerchen.org
copyright © 2007, camo & pfeiffer



Märchensammlung - Geschichte der Spinne mit dem Winde