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Geschichte der Spinne mit dem Winde

Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 2 ( von 6 )

Der König billigte diesen Vorschlag, und am folgenden Tage, als alle Gelehrten der Stadt versammelt waren, trat zuletzt Schimas in die Versammlung und verbeugte sich vor dem Prinzen. Als dieser sich zu gleicher Zeit vor Schimas verbeugte, sagte Letzterer: "Es ziemt einen jungen Löwen nicht, dass er vor einem andern Tiere sich verbeuge, und nicht dem Lichte, dass es gegen die Finsternis ehrerbietig sei." Da erwiderte der Prinz: "Auch der junge Löwe verbeugt sich vor dem Leoparden, und das Licht vor der Finsternis, um zu sehen, was darin verborgen ist." Schimas bat dann um Erlaubnis, einige Fragen an ihn zu richten, und als der Prinz sie zu beantworten sich erbot, fragte er: "Welcher Mensch ist der vorzüglichste?" - "Derjenige, der die zukünftige Welt dieser vorzieht." - "Und wer kann dies?" - "Derjenige, welcher bedenkt, dass er in einer vergänglichen Welt lebt, dass er sterben muss, dass dem Tod ein neues Leben und ein Tag des Gerichts folgt, und dass, wer hier nicht fromm lebt, keine gute Zukunft zu erwarten hat. Den Bewohnern dieser Welt geht es wie Handwerkern, die einst in einem engen Hause eine Arbeit zu verrichten hatten; Jedem war sein Werk vorgezeichnet, und es wurden Aufseher angestellt, die einen Jeden nach vollendeter Arbeit aus dem Hause befreien und ihn reichlich belohnen, die Müßiggänger aber hart bestrafen sollten. Während sie nun bei der Arbeit waren, zeigte sich ihnen ein Honigstock, sie kosteten ihn und fanden ihn süß, vernachlässigten aber die Arbeit, um an der Süßigkeit des Honigs sich zu ergötzen und alle Warnungen der Aufseher blieben fruchtlos. Als der Oberste dies vernahm, befahl er den Aufsehern, alle umzubringen, die wegen des bisschen Süßigkeit ihr Werk vernachlässigten, diejenigen aber zu belohnen, welche die Süßigkeit verschmäht." - "Du hast Recht; doch wie lassen sich die Bedürfnisse dieser Welt mit den Ansprüchen der zukünftigen vereinen? wenn der Mensch nicht für irdische Bedürfnisse sorgt, so geht doch sein Körper zu Grunde." - "Man kann auf dem Wege des Rechts für irdische Bedürfnisse sorgen, aber ein Teil des Tages genügt dazu, den übrigen soll man seinem Seelenheil und dem zukünftigen Leben widmen. Ich will dir hierüber noch ein Beispiel anführen." Der Prinz fuhr fort: "Einst herrschten gleichzeitig zwei Könige, von denen der eine gerecht, der andere aber gewalttätig war. Das Land des Letzteren war sehr fruchtbar und lieblich, und reich an Fundgruben von Perlen und Edelsteinen; der König war aber so habgierig, dass er alle Kaufleute in seinem Reiche beraubte. Als der gerechte König, der ein großer Liebhaber von Edelsteinen war, von diesem Land hörte, ließ er einen seiner Leute rufen, gab ihm viel Geld und befahl ihm, in jenes Land zu reisen, um Edelsteine für ihn zu kaufen. Sobald aber der gewalttätige König von der Ankunft dieses Mannes hörte, ließ er ihn vor sich kommen, und sagte ihm: "Wehe dir! weißt du nicht, wie ich selbst gegen die Kaufleute meines eigenen Landes verfahre? Wie magst du, Fremdling, mein Land betreten? wer bist du?" Der Kaufmann sagte ihm, sein König habe ihn mit Geld hierher geschickt, um Edelsteine einzukaufen, und das Geld, das er bei sich habe, gehöre nicht ihm. Da erwiderte der König: "Ich lasse dich nicht lebendig aus meinem Lande ziehen, wenn du mir nicht dein Geld gibst." Der Kaufmann ließ den Kopf sinken und dachte bei sich: "Ich stehe hier zwischen zwei Königen; widerfahre ich diesem, so lässt er mir mein Geld mit Gewalt nehmen und mich umbringen, stelle ich ihn zufrieden, so wird mein König, dem das Geld gehört, mich umbringen lassen. Das Beste ist, ich gebe diesem König einen Teil meines Geldes und rette dadurch mein Leben, für das übrige kaufe ich Edelsteine, die hier ja so wohlfeil sind, und bringe sie meinem König, und so stelle ich beide zufrieden. Der Kaufmann bot hierauf dem König eine bedeutende Summe und bat um Erlaubnis, noch einige Zeit im Lande bleiben zu dürfen, um die Geschäfte seines Königs zu verrichten. Der König nahm das Geld und gewährte dem Kaufmann seine Bitte. Dieser kaufte für das ihm übriggebliebene Geld die kostbarsten Edelsteine um einen sehr geringen Preis, reist dann wieder in seine Heimat und entschuldigte sich bei seinem König.

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