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Schneewittchen
Märchen der Gebrüder Grimm, Seite 5 ( von 6 )
Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe haben kann.
Die Zwerglein, wie sie abends nach Hause kamen, fanden Schneewittchen auf der
Erde liegen, und es ging kein Atem mehr aus seinem Mund, und es war tot. Sie
hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf,
kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles
nichts; das liebe Kind war tot und blieb tot. sie legten es auf eine Bahre und
setzten sich alle siebene daran und beweinten es, und weinten drei Tage lang.
Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus wie ein lebender
Mensch, und hatte noch seine schönen roten Backen. Sie sprachen: "Das
können wir nicht in die schwarze Erde versenken," und ließen
einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, dass man es von allen Seiten sehen
konnte, legten es hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen
darauf, und das es eine Königstochter wäre. Dann setzte sie den Sarg
hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei, und bewachte ihn.
Und die Tiere kamen auch und beweinten Schneewittchen, erst eine Eule, dann ein
Rabe, zuletzt ein Täubchen.
Nun lag Schneewittchen lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht, sondern sah
aus als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß als Schnee, so rot als
Blut, und so schwarz haarig wie Ebenholz. Es geschah aber, dass ein
Königssohn in den Wald geriet und zu dem Zwergenhaus kam, da zu
übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg, und das schöne
Schneewittchen darin, und las, was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben
war. Da sprach er zu den Zwergen: "Lasst mir den Sarg, ich will euch
geben, was ihr dafür haben wollt." Aber die Zwerge antworteten:
"Wir geben ihn nicht, um alles Gold in der Welt." Da sprach er:
"So schenkt mir ihn, denn ich kann nicht leben ohne Schneewittchen zu
sehen, ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes." Wie er so
sprach, empfanden die guten Zwerglein Mitleiden mit ihm und gaben ihm den Sarg.
Der Königssohn ließ ihn nun von seinen Dienern auf den Schultern
fort tragen. Da geschah es, dass sie über einen Strauch stolperten, und
von dem Schüttern fuhr der giftige Apfelgrütz, den Schneewittchen
abgebissen hatte, aus dem Hals. Und nicht lange so öffnete es die Augen,
hob den Deckel vom Sarg in die Höhe, und richtete sich auf, und war wieder
lebendig. "Ach Gott, wo bin ich?" rief es. Der Königssohn sagte
voll Freude: "Du bist bei mir", und erzählte was sich zugetragen
hatte und sprach: "Ich habe dich lieber als alles auf der Welt; komm mit
mir in mein Vaters Schloss, du sollst meine Gemahlin werden." Da war ihm
Schneewittchen gut und ging mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer
Pracht und Herrlichkeit angeordnet. Zu dem Fest wurde aber auch Schneewittchens
gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit schönen Kleidern
angetan hatte, trat sie vor den Spiegel und sprach:
"Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?"
Der Spiegel antwortete:
"Frau Königin, ihr seid die schönste hier,
aber die junge Königin ist tausendmal schöner als ihr."
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