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Schneewittchen
Märchen der Gebrüder Grimm, Seite 2 ( von 6 )
Es lief so lange die Füße noch fort konnten, bis es bald Abend
werden wollte, da sah es ein kleines Häuschen und ging hinein sich zu
ruhen. In dem Häuschen war alles klein, aber so zierlich und reinlich,
dass es nicht zu sagen ist. Da stand ein weiß gedecktes Tischlein mit
sieben kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit seinem Löffelein, ferner
sieben Messerlein und Gäbelein, und sieben Becherlein. An der Wand waren
sieben Bettlein neben einander aufgestellt und schneeweiße Laken
darüber gedeckt. Schneewittchen, weil es so hungrig und durstig war,
aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs' und Brot, und trank aus
jedem Becherlein einen Tropfen Wein; denn es wollte nicht einem allein alles
wegnehmen. Hernach, weil es so müde war, legte es sich in ein Bettchen,
aber keins passte; das eine war zu lang, das andere zu kurz, bis endlich das
siebente recht war. Und darin blieb es liegen, befahl sich Gott und schlief
ein.
Als es dunkel geworden war, kamen die Herren von dem Häuslein, das waren
die sieben Zwerge, die in den Bergen nach Erz hackten und gruben. Sie
zündeten ihre sieben Lichtlein an, und wie es nun hell im Häuslein
ward, sahen sie dass jemand darin gewesen war, denn es stand nicht alles so in
der Ordnung, wie sie es verlassen hatten. Der erste sprach: "Wer hat auf
meinem Stühlchen gesessen?" Der zweite: "Wer hat von meinem
Tellerchen gegessen?" Der dritte: "Wer hat von meinem Brötchen
genommen?" Der vierte: "Wer hat von meinem Gemüschen gegessen?
Der fünfte: "Wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?" Der
sechste: "Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?". Der siebente:
"Wer hat aus meinem Becherlein getrunken?" Dann sah sich der erste um
und sah das auf seinem Bett eine kleine Delle war, da sprach er: "Wer hat
in meinem Bett getreten?" Die andern kamen gelaufen und riefen: "In
meinem Bett hat auch jemand gelegen." Der siebente aber, als er in sein
Bett sah, erblickte Schneewittchen, das lag darin und schlief. Nun rief er die
andern, die kamen herbei gelaufen, und schrien vor Verwunderung, holten ihre
sieben Lichtlein und beleuchteten Schneewittchen. "Ei, du mein Gott! ei,
du mein Gott!" riefen sie, "was ist das Kind so schön!" und
hatten so große Freude, dass sie es nicht aufweckten, sondern im Bettlein
fort schlafen ließen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen
Gesellen, bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum.
Als es Morgen war, erwachte Schneewittchen, und wie es die sieben Zwerge sah,
erschrak es. Sie waren aber freundlich und sagten: "Wie heißt
du?" Ich heiße Schneewittchen, antwortete es. "Wie bist du in
unser Haus gekommen?" sprachen die Zwerge. Da erzählte es ihnen, dass
seine Stiefmutter es hätte wollen umbringen lassen, der Jäger
hätte ihm aber das Leben geschenkt, und da wär es gelaufen den ganzen
Tag, bis es endlich ihr Häuslein gefunden hätte. Die Zwerge sprachen.
"Willst du unsern Haushalt versehen, kochen, betten, waschen, nähen
und stricken, und willst du alles ordentlich und reinlich halten, so kannst du
bei uns bleiben, und es soll dir an nichts fehlen." "Ja", sagte
das Schneewittchen, "von Herzen gern", und blieb bei ihnen. Es hielt
ihnen das Haus in Ordnung: Morgens gingen sie in die Berge und suchten Erz und
Gold, Abends kamen sie wieder, und da musste ihr Essen bereit sein. Den Tag
über war das Mädchen allein, da warnten es die guten Zwerglein und
sprachen: "Hüte dich vor deiner Stiefmutter, die wird bald wissen,
dass du hier bist; lass ja niemand herein."
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