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Zauberhelene
Ungarisches Märchen, Seite 4 ( von 5 )
Argilus ging traurig zu seinen zwei Schwägern, und erzählte ihnen,
was geschehen. Die drei Schwäger beratschlagten sich und sagten: "Du
musst ein Pferd finden, welches noch schneller läuft als Taigaröt; es
gibt aber nur ein einziges solches Pferd, es ist Taigaröt's jüngerer
Bruder, zwar nur mit vier Füßen, aber gewiss schneller als
Taigaröt." "Wo find ich dieses Pferd?" so fragte Argilus.
Die Schwäger antworteten: "Hexe Eisennagel hält das Pferd unter
der Erde verborgen, geh zu ihr, tritt in ihre Dienste, und fordere dieses Ross
als Lohn." "Bringt mich hin meine lieben Schwäger, " bat
Argilus. "Sogleich," entgegnete der Sonnenkönig, "nimm aber
zuvor diese Gabe von Deinen Schwägern, die Dich herzlich lieben." Mit
diesen Worten gab er ihm einen kleinen Stab, der war halb Gold und halb Silber,
und zitterte unaufhörlich; er war aus Sonnenlicht, Mondschein und Wind
gemacht. "So oft Du unser bedarfst, stecke diesen Stab in die Erde und wir
sind bei Dir." Hierauf nahm der Sonnenkönig den kleinen Schwager auf
einen Sonnenstrahl und trug ihn einen ganzen Tag, dann nahm ihn der
Mondkönig, trug ihn eine Nacht, dann nahm ihn der Windkönig und trug
ihn einen Tag und eine Nacht, dann war er am Palast der Hexe Eisennase.
Der Palast der Hexe Eisennase war aus lauter Totenköpfen gebaut, ein
einziger fehlte nur, um das Gebäude zu vollenden. Als die Alte klopfen
hörte, sah sie beim Fenster hinaus und frohlockte: "Endlich wieder
einer! seit dreihundert Jahren warte ich vergebens auf den Totenkopf, der mein
Prachtgebäude vollenden soll, herein mein lieber Junge!" Argilus trat
ein, er stutzte ein wenig, als er die Alte in der Nähe sah, sie war
groß, hässlich, und ihre Nase war von Eisen. "Ich will bei Dir
in Dienst treten," war sein Wort. "Wohl," erwiderte sie,
"was willst Du zum Lohn?" "Das Pferd, das du unter der Erde
bewahrt hältst." - "Du sollst es haben, wenn Du treu dienst,
fehlst Du aber nur einmal, so bist Du des Todes." "Sehr wohl." -
"Bei mir" - dies waren der Hexe Eisennase letzte Worte - "bei
mir währt das Dienstjahr nur drei Tage, Du kannst Deinen Dienst gleich
beginnen. Du wirst mein Gestüt auf die Seidenweide treiben, wenn abends
eines fehlt, so bist Du des Todes. Hierauf führte sie Argilus zu dem
Gestüt. Es waren alle Rosse von Erz, sie wieherten furchtbar, und machten
die sonderbarsten Sprünge. "Geh' an Dein Geschäft," so
redete Eisennase und schloss sich in ihr Gemach ein. Argilus öffnete die
Hürde, warf sich auf eines der erzenen Rosse und stürmte mit der
ganzen Schar hinaus. Kaum waren sie auf der Seidenwiese, als das Ross, auf
welchem er ritt, ihn abwarf in einen tiefen Moorgrund, so dass er bis an die
Brust versank. Die ganze Schar lief auseinander, da steckte Argilus das
Stäbchen, das ihm sein Schwager gegeben, in die Erde, und auf der Stelle
fielen die Strahlen der Sonne so glühend nieder, dass der ganze Moorgrund
austrocknete, und die erzenen Rosse zu schmelzen anfingen, voll Angst rannten
sie zur Hürde zurück. Die Hexe war sehr verwundert, das Gestüt
eingetrieben zu sehen. "Morgen musst du meine zwölf Rappen
hüten," sprach sie. "Bist Du mit dem letzten Strahl der Sonne
nicht zurück, so bist Du des Todes; die sind schwerer zu bändigen,
als das Erzgestüt." Vollziehe Du Deine Schuldigkeit," sprach
Argilus, "ich tue die meine." Also bald liefen die zwölf Rappen
auseinander. Argilus steckte sein Stäbchen in den Boden, und es erhob sich
ein fürchterlicher Sturm. Jedem Ross wehte die Luft entgegen, wie sehr
sich auch die Rappen bäumten, der Wind war mächtiger; alle mussten
nach Haus. Eben schloss Argilus die Stalltüre, eben schied der letzte
Strahl der Sonne, als Hexe Eisennase am Stall stand. Sie war überrascht,
Rosse und Argilus zu sehen. "Wenn Du heut Nacht arbeitest, bist Du Morgen
frei, geh' und melke das Erzgestüt, und bereite ein Bad aus der Milch, mit
dem ersten Sonnenstrahl muss es fertig sein." Wie Argilus aus dem Stall
war, nahm die Hexe eine eiserne Gabel und prügelte ihre Töchter die
ganze Nacht durch. Argilus ging zum Erzgestüt, es fiel ihm ein, dies
dürfte wohl die schwerste Probe sein, und eben wollte er sein
Stäbchen in den Boden stecken, als ihm sein Schwager der Mondkönig
begegnete.
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