Maerchen.org - Die gebrochenen Eide
Impressum

   Märchen von ...
   Gebrüder Grimm
   Ludwig Bechstein
   Wolf
   Hans Christian Andersen
   Hauff
   ETA Hoffmann
   Tausendundeine Nacht


   Märchen aus aller Welt
   neuere Märchen

   beliebte Märchen
   Schneewittchen
   Dornröschen
   Rapunzel
   Rotkäppchen
   Aschenputtel
   Hänsel und Gretel
   Bremer Stadtmusikanten
   Der Froschkönig
   Das hässliche Entlein


   Alice im Wunderland
   illustriert
   und auf englisch




   Links ins Internet
   Märchenseiten
   Literaturseiten
   Internetseiten



Die gebrochenen Eide

Rabbinisches Märchen, Seite 2 ( von 5 )

Demzufolge nun fanden sie ihn schuldig, als er vor ihrem Senat, ihrem Fürsten und Großen verhört wurde, und verurteilten ihn zum Tode nach dem göttlichen Gesetz. Und als sie ihn hinausführten, hob er seine Finger auf vor Gott und vor des Königs Majestät.
Als sie das hörten, brachte sie ihn zum Könige, der ihn verhörte und ihm sagte, dem Rechte nach verdiene er den Tod. Aber dann fragte der König ihn, ob er Moses Gesetz studiert habe oder kenne, oder den Talmud und die verschiedenen großen Schriftsteller, und sah, dass er sehr gelehrt sei und ein großer Rabbi, und es quälte ihn sehr, dass er ihn töten lassen solle. Der König bat daher, sie möchten die Hinrichtung bis auf den folgenden Tag verschieben, weil er die Sache in näherer Betrachtung ziehen wolle. - Als sie das hörten, wurden sie Alle ruhig und gingen fort.
Am folgenden Tage kamen die Senatoren, Statthalter, Häuptlinge und alles Volk in der Stadt zusammen, um des Königs Urteilsspruch zu hören und die Hinrichtung des Mannes zu sehen, was, wie sie meinten, ein sehr merkwürdiger Anblick für sie sein würde.
Während sie nun sämtlich versammelt waren, ließ der König, ehe er aus dem Palaste ging, um das Urteil zu sprechen, den Mann rufen und fragte ihn, ob er bei ihm bleiben und seinen Kindern das, was er wisse, lehren wolle; in diesem Falle solle das Äußerste geschehen, um ihn zu retten. - Er antwortete, er sei dazu bereit. - Der König ging darauf aus dem Palast, setzte sich auf seinen Richterstuhl, berief alle Häuptlinge und alles Volk und sprach Folgendes zu ihnen:
"Es ist wahr, dass ihr diesem Manne den Tod, den er verdient, zugesprochen habt, aber keine Regel ohne Ausnahme; ich glaube nicht, dass seine Zeit gekommen ist, denn wäre es Gottes Wille, dass er sterben sollte, so wäre er mit der ganzen übrigen Mannschaft am Bord des Schiffes gestorben, und nicht, wie jetzt, davon gekommen. - War es wiederum Gottes Wille, dass er sterben sollte, so würde er nicht das Land erreicht, und ein Adler würde ihn nicht hierher zu uns getragen haben, auf gleiche Weise hat ihn Gott von euch befreit, denn ihr hättet ihn auch erschlagen können. So ist er aus mannigfachen und großen Gefahren errettet worden, und deshalb erscheint es mit richtig, dass er am Leben bleibe; was nun die Sünde des gebrochenen Eids betrifft, so ist das zwischen ihm und Gott, der ihn dereinst dafür bestrafen wird. Er soll deshalb von uns freigesprochen werden, und ich befehle, dass ihn Niemand berühre, oder ihm Böses tue; wer ihn beunruhigt, der soll sterben." Als sie diese Worte des Königs gehört hatten, erklärten sie sich Alle mit der Entscheidung einverstanden und der Mann blieb im Hause des Königs und unterrichtete dessen Kinder. - Er brachte drei Jahre in dem Palaste zu, hochgeehrt von Jedermann und von dem Könige, seiner Talente und seines Wissens wegen, sehr geschätzt. Nun trug es sich zu, dass der König genötigt war, an der Spitze eines Heeres auszuziehen, um eine Provinz, die sich empört hatte, zu bekämpfen. Als er im Begriffe stand, abzureisen, rief er den Mann, gab ihm alle Schlüssel zu seinen Palästen und Schatzkammern und sagte zu ihm: "Du kannst Alles beschauen, was in dem Lande und in den Palästen ist; hier hast du aber den goldenen Schlüssel eines Palastes, diesen hüte dich zu öffnen, denn ich werde dich an demselben Tage, an welchem du es tust, erschlagen." Darauf befahl er dem Volke, ihn zu ehren und ihm zu folgen, nahm Abschied von ihm und reiste ab.
Als der König fort war, öffnete und untersuchte er alle Paläste und alle Merkwürdigkeiten, die so beschaffen waren, dass er dergleichen in seinem Leben noch nicht gesehen hatte, und die größten Reichtümer in der Welt betrachtete er; kurz, er sah Berge auf Berge von den größten diamanten, und viele andere höchst wunderbare Sachen. Als er aber alles gesehen hatte, war er noch nicht zufrieden, und wollte mehr sehen.

Seite: Seite 1 - Die gebrochenen Eide   Seite 2 - Die gebrochenen Eide   Seite 3 - Die gebrochenen Eide   Seite 4 - Die gebrochenen Eide   Seite 5 - Die gebrochenen Eide






Maerchen.org
copyright © 2007, camo & pfeiffer



Märchensammlung - Die gebrochenen Eide