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Der Schmaus
der Zwerge
Norwegisches Märchen, Seite 3 ( von 5 )
"Erschreckt nicht, sagte sie, über mein plötzliches Erscheinen;
ich bin die Eigentümerin dieses Hauses und danke euch, dass ihr es so rein
und wohl erhalten habt, und dass ich alles so ordentlich finde. - Ich wäre
gern früher gekommen, aber ich konnte es nicht eher, als bis der kleine
Heide da (auf das Knäbchen zeigend) sich eingestellt hatte. - Nun habe ich
freien Zutritt. - Aber holt nur keine Priester vom festen Lande, um ihn zu
taufen, sonst muss ich wieder fort. Wenn ihr meinen Wunsch erfüllt, so
könnt ihr nicht allein hier bleiben, sondern alles Gute, das ihr nur
wünscht, will ich euch erzeigen. Was ihr in die Hand nehmt, wird gedeihen;
Glück soll euch folgen, wohin ihr geht. - Brecht ihr aber diese
Verbindung, so verlasst euch darauf, dass Unglück über Unglück
euch heimsuchen soll, und selbst an dem Kinde werde ich mich rächen. Wenn
ihr etwas bedürft oder in Gefahr seid, so braucht ihr nur drei Mal meinen
Namen rufen, ich werde erscheinen und euch Beistand leisten. Ich bin vom
Geschlecht der alten Riesen und heiße Guru. Hütet euch aber in
meiner Gegenwart den Namen dessen auszusprechen, von dem kein Riese hören
mag, und macht nie das Zeichen des Kreuzes, noch schneidet es in Planken hier
im Hause ein. Ihr könnt hier das ganze Jahr wohnen, nur am Juelsabend seid
so gut, mir das Haus zu überlassen, wenn die Sonne am Niedrigsten ist.
Dann feiern wir unser großes Fest, wo es uns allein erlaubt ist,
fröhlich zu sein. - Wenn ihr dann nicht gern das Haus verlassen wollt, so
haltet euch so ruhig wie möglich den ganzen Tag auf dem Boden auf und
guckt, wenn euch euer Leben lieb ist, vor Mitternacht nicht in das Zimmer. -
Nachher könnt ihr wieder Alles in Besitz nehmen." -
Als die alte Frau dies gesagt hatte, verschwand sie, und Aslog und Orm,
über ihre Lage jetzt beruhigt, lebten ohne Störung glücklich und
vergnügt. Orm warf nie das Netz aus, ohne einen guten Zug zu tun, schoss
nie einen Pfeil ab, ohne zu treffen; kurz, was er in die Hand nahm und war es
noch so unbedeutend, gedieh augenscheinlich.
Als Weihnacht kam, reinigten sie auf das Beste das Haus, brachten Alles in
Ordnung, zündeten ein Feuer auf dem Herde an und stiegen, als die
Dämmerung einbrach, auf den boden, wo sie sich still und ruhig verhielten.
Endlich wurde es dunkel, und es kam ihnen vor, als hörten sie ein Rauschen
und Schnauben in der Luft, wie es die Schwäne zur Winterzeit zu machen
pflegen. In dem Giebel über dem Feuerherd war ein Loch, das man
öffnen und schließen konnte, um Licht ein oder Rauch auszulassen. -
Orm hob die Klappe auf, die mit einem Fell bedeckt war, und steckte den Kopf
durch; aber welch wunderbares Schauspiel zeigte sich ihm jetzt. Die kleinen
Inseln rund umher waren alle mit zahllosen blauen Lichtern erleuchtet, die sich
unaufhörlich bewegten, auf und nieder sprangen, dann ans Ufer glitten,
sich versammelten und sich immer mehr der Insel, auf welchem Orm und Aslog
lebten, näherten. Zuletzt erreichten sie dieselbe, und stellten sich im
Kreise um einen großen Stein, der unfern vom Ufer stand und den Orm wohl
kannte. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er bemerkte, dass der Stein
ganz und gar eine menschliche, obwohl riesenhafte Gestalt angenommen hatte. -
Er konnte jetzt deutlich bemerken, dass die kleinen blauen lichter von zwergen
getragen wurden, deren bleiche erdfarbenen Gesichter mit großen Nasen und
roten Augen, entstellt durch vogelschnäbel und Eulenaugen, auf
missgestalteten Körpern ruhten; sie schlenkerten und wackelten hin und
her, so dass sie zur selben Zeit fröhlich und traurig zu sein schienen.
Plötzlich öffnete sich der Kreis, die Kleinen zogen sich auf jeder
Seite zurück und Guru, die jetzt ebenso groß wie der Stein war, trat
mit Riesenschritten heran. Sie umschlang das steinerne Bild mit den Armen, das
sogleich Leben und Bewegung bekam. Bei dem ersten Anzeichen davon begannen die
kleinen sogleich unter wunderlichen Gebärden und Grimassen einen Gesang,
oder richtiger ein Geheul, dass die ganze Insel davon wiederhallte und erbebte.
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