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Das
Ziegengesicht
Neapolitanisches Märchen, Seite 3 ( von 4 )
Als der arme König das sah, war er wie vom Donner gerührt, da er
nicht begreifen konnte, wie es zuginge, dass eine Schönheit mit zwei
Sonnen plötzlich so verändert werden könnte. - Seufzend und
weinend rief er aus: "Wo sind die Locken, die mich fesselten? Wo ist der
Mund, die Falle meiner Seele, die Angel meines Gemütes, der Branntwein
meines Herzens? Soll ich denn der Gatte einer Ziege sein und Bock heißen?
Nein, nein mein Herz soll nicht brechen um einer Ziege willen, die mich
stößt und meine Hemden schmutzig macht. -
Dies sagend, schickte er, sobald er in seinem Palaste angekommen war, Renzolla
in die Küche mit einem Dienstmädchen und gab jeder von ihnen ein Bund
Flachs mit dem Befehl, es am Ende der Woche gesponnen zu haben.
Das Mädchen, dem König gehorsam, fing an den Flachs zu hecheln,
bereitete ihn, tat ihn auf die Spindel und arbeitete frisch, so dass sie am
Sonnabend Abend fertig war. Renzolla, die aber glaubte, sie sei noch immer
dieselbe, die sie im Hause der Fee gewesen war, weil sie nicht in den Spiegel
gesehen hatte, warf den Flachs aus dem Fenster und sagte: "Das ist
wahrhaftig recht hübsch vom Könige, mir eine solche
Beschäftigung zu geben! Wenn er Hemden braucht, so kann er sich welche
kaufen, und mich nicht für ihn arbeiten lassen wollen. Er sollte sich
erinnern, dass ich ihm sieben Beutel Goldes mitgebracht habe, und dass ich
seine Frau und nicht seine Magd bin; er ist ein rechter Esel, mich so behandeln
zu wollen.
Als nun der Sonntag herankam und sie sah, dass die Magd allen ihren Flachs
gesponnen habe, fürchtete sie sich doch etwas gehechelt zu werden, und
ging daher nach dem Palast der Fee, um dieser ihr Schicksal zu erzählen.
Die Fee umarmte sie herzlich und schenkte ihr einen großen Beutel voll
gesponnenen Flachs, um ihn dem König zu geben um ihm zu zeigen, dass sie
eine gute Hausfrau sei. Renzolla nahm den Sack und ging, ohne sich bei ihr zu
bedanken, nach dem Palaste des Königs zurück, so dass die Fee nichts
als Steine von dem Boden des undankbaren Mädchens erntete.
Als der König den Flachs in Empfang genommen hatte, gab er ihnen zwei
Hunde, einen ihr, den andern dem Mädchen, mit dem Befehl, die Tiere zu
füttern und aufzuziehen. Das Mädchen tat das rechtschaffen und
behandelte ihren Hund wie ein Kind. Aber Renzolla sagte: "Mein Page gab
mir den Rat, wenn man Türken bekommt, so soll man sie hinauswerfen. Bin
ich denn dazu da, Hunde zu kämmen und zu dressieren?" Bei diesen
Worten warf sie den Hund aus dem Fenster, was ein ganz anderes Ding war, als
wäre er in den Schoß gesprungen.
Nach einigen Monaten fragte der König nach den Hunden. Renzolla roch
Unrat, und eilte wieder zu der Fee. Am Schlosstor aber fand sie einen alten
Mann, der der Pförtner war und zu ihr sagte: "Wer bist Du und was
willst Du?" Als sie sich so kurz anreden hörte, erwiderte sie.
"Kennst Du mich nicht, Du Ziegenbart?" - "Reichst Du mir das
Messer, versetzte der Alte. Da folgt ja der Dieb dem Büttel. Lass ab,
sagte der Topf, Du machst mich schmutzig. Wirf Dich hin, oder Du wirst fallen.
- "Ich ein Ziegenbart! Du bist anderthalb Mal selbst ein Ziegenbart; denn
Du verdienst das und noch mehr für Deine Unverschämtheit. Wart' ein
Weilchen, und ich will es Dir klar machen; Du wirst sehen, wohin Dein
Vornehmtun und Deine Schamlosigkeit Dich gebracht haben."
Bei diesen Worten lief er in ein kleines Zimmer, holte einen Spiegel und hielt
ihn Renzolla vor das Gesicht, so dass diese, als sie ihr hässliches
haariges Antlitz darin erblickte, beinahe vor Schrecken gestorben wäre.
Rinaldos Grausen, als er sich in dem bezauberten Schilde erblickte, war nichts
gegen ihre Verzweiflung, da sie sich so entstellt sah.
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