|
Das
Ziegengesicht
Neapolitanisches Märchen, Seite 2 ( von 4 )
Sieh doch, wie oft wir uns die Axt vor die Füße legen, und wenn wir
Falkenaugen haben sollten, um das Gute zu sehen, das uns in die Arme
läuft, so haben wir Schuppen auf den Augen. - Wir haben jetzt den Haken in
der Hand, um das Glück festzuhalten, darum geh hin und bringe sie ihr,
denn meine Ahnung sagt mir, es werde zum Besten der armen Kleinen sein."
Masaniello billigte ihre Rede, und am nächsten Morgen, als die Sonne mit
ihrer Strahlenbürste anfing, den Himmel zu scheuern, den die Schatten der
Nacht beschmutzt hatten, nahm er das kleine Mädchen bei der Hand und
führte es nach der Höhle. die Eidechse, welche auf ihn wartete, kam
sogleich auf ihn zu, gab ihm einen Beutel mit Patacken und sagte, das Kind
nehmend: "Geh nur, und verheirate Deine andern Töchter mit diesem
Gelde und lebe glücklich, denn Renzolla hat Vater und Mutter gefunden;
wohl ihr, dass ihr ein solches Glück begegnet!"
Masaniello, hoch erfreut, dankte sehr, kehrte zu seiner Frau zurück und
zeigte ihr das Geld, mit dem er alle seine andern Töchter ausstatten und
doch noch genug Essig übrig behielt, um die Mühen seines ganzen
übrigen Lebens damit hinunter zu spülen.
Sobald die Eidechse Renzolla bekommen hatte, ließ sie einen
prächtigen Palast erscheinen, brachte das Kind hinein und erzog es in
solchem Glanz und Herrlichkeit, dass es selbst die Augen einer Königin
geblendet haben würde. Ihr könnt sicher sein, dass es ihr nicht an
Ameisenmilch fehlte. Ihre Nahrung passte sich für einen Grafen und ihre
Kleidung für einen Prinzen. Sie hatte hundert Mädchen zu ihrer
Bedienung und wurde durch die gute Behandlung in vier Sekunden so rund wie ein
Ring.
Es trug sich zu, dass der König, als er zufällig in dieser Gegend
jagte, von der Nacht überrascht wurde und nicht wissend, wohin er sein
Haupt legen solle, in dem Palast Licht sah; deshalb sandte er einen seiner
Diener ab, um den Eigentümer um ein Nachtquartier zu bitten. Als der
Diener zu der Eidechse kam, die wie eine schöne Dame erschien, und sein
Anliegen vorbrachte, so sagte sie, dass der König tausend Mal willkommen
wäre, und es weder an Brot noch an einem Messer fehlen solle. - Der
König begab sich, als er diese Antwort vernahm, dahin, und wurde wie ein
Ritter empfangen. Hundert Pagen gingen ihm mit brennenden Fackeln entgegen, und
sahen aus wie die Dienerschaft eines vornehmen Mannes. Hundert andere Pagen
deckten den Tisch, und waren anzuschauen wie eben so viele Apothekenburschen,
wie sie den Kranken Herzstärkung bringen. Hundert andere machten ein
gewaltiges Geräusch mit Musik, über Alles aber war Renzolla, die den
König bediente, und ihm mit so vieler Liebenswürdigkeit zu trinken
reichte, dass er mehr Liebe als Wein einschlürfte. -
Als das Mahl geendet war und die Tische abgedeckt, ging der König zu Bett
und Renzolla zog ihm selbst die Strümpfe von den Füßen und das
Herz aus der Brust, so gewaltig, dass er fühlte, wie das Gift der Liebe,
sobald er von ihren schönen Händen berührt wurde, aus den
Füßen in die Höhe stieg und seine Seele erfüllte. Um daher
dem Tode zuvorzukommen, beschloss er, das Gegengift für diese
Schönheiten zu versuchen und es sich zu verschaffen, und die Fee, welche
Sorge für ihre Erziehung trug, rufend, verlangte er von ihr Renzolla zur
Gattin. Da jene nur auf ihres Pflegekindes Glück bedacht war, so willigte
sie nicht allein mit Freuden ein, sondern steuerte dasselbe auch noch mit
sieben Beuteln Goldes aus.
Der König, hocherfreut über dieses Glück, reiste mit Renzolla
ab, die, ungezogen und undankbar nach so vielen ihr erzeigten Wohltaten, bei
dem Abschiede der Fee kein freundliches Wörtchen sagte. - Diese,
entrüstet über ihr Betragen, verfluchte sie und wünschte, dass
sie ein Gesicht wie eine Ziege bekäme. Kaum hatte sie dies
geäußert, als auch schon ein, einen halben Fuß langer Bart an
Renzolla's Kinn ansetzte; ihre Kinnbacken verlängerten sich, ihr Gesicht
schrumpfte ein, aus ihren schönen Locken wurden ein Paar Hörner, kurz
Renzolla hatte ein Ziegengesicht.
|
|