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Elfenhügel
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 1 ( von 4 )
Einige große Eidechsen liefen schnellfüßig in den Spalten
eines alten Baumes umher; sie konnten einander gut verstehen, denn sie sprachen
die Eidechsensprache.
"Wie das in dem alten Elfenhügel poltert und brummt!" sagte die
eine Eidechse. "Ich habe von dem Lärm schon in zwei Nächten
meine Augen nicht schließen können; ich könnte ebenso gut
liegen und Zahnweh haben, denn dann schlafe ich auch nicht!"
"Da ist etwas los!" sagte die andere Eidechse. "Sie lassen den
Hügel, bis des Morgens der Hahn kräht, auf vier roten Pfählen
stehen, es wird ordentlich ausgelüftet und die Elfenmädchen haben
neue Tänze gelernt. Da ist etwas los!"
"Ja, ich habe mit einem Regenwurm meiner Bekanntschaft gesprochen",
sagte die dritte Eidechse, "der gerade aus dem Hügel kam, wo er Tag
und Nacht in der Erde gewühlt hatte. Der hatte Vieles gehört, sehen
kann er ja nicht, das elende Tier, aber vorfühlen und nachhören, das
versteht er. Sie erwarten Fremde im Elfenhügel, vornehme Fremde, aber wen,
das wollte der Regenwurm nicht sagen, oder er wusste es nicht. Alle Irrlichter
sind bestellt, um einen Fackelzug zu halten, wie man das nennt, und Silber und
Gold, wovon genug im Hügel ist, wird poliert und im Mondschein
ausgestellt!"
"Wer mögen wohl die Fremden sein?" sagten alle Eidechsen.
"Was mag da wohl los sein? Hört, wie es summt! hört, wie es
brummt!"
Zu der selben Zeit teilte sich der Elfenhügel und ein altes
Elfenmädchen kam heraus getrippelt. Sie war des alten Elfenkönigs
Haushälterin, war mit der Familie weitläufig verwandt und trug ein
Bernsteinherz vor der Stirn. Ihre Beine bewegten sich so hurtig: tripp, tripp!
Potz tausend, wie konnte sie trippeln, und das gerade hinunter in das Moor zum
Nachtraben.
"Sie werden zum Elfenhügel eingeladen, und zwar diese Nacht!"
sagte sie. "Aber wollen Sie uns nicht erst einen großen Dienst
erweisen und die übrigen Einladungen übernehmen? Sie müssen auch
etwas tun, da Sie selbst kein Haus machen. Wir bekommen einige vornehme Fremde,
Zauberer, die etwas zu bedeuten haben, und deshalb will der alte
Elfenkönig sich zeigen!"
"Wer soll eingeladen werden?" fragte der Nachtrabe.
"Ja, zu dem großen Balle kann alle Welt kommen, selbst Menschen,
wenn sie nur im Schlaf sprechen, oder etwas dergleichen tun können, was in
unserer Art fällt. Aber zu dem ersten Feste soll strenge Auswahl
herrschen, wir wollen nur die Allervornehmsten haben. Ich habe mich mit dem
Elfenkönig gestritten, denn ich meinte, wir könnten nicht einmal
Gespenster zulassen. Der Wassernix und seine Töchter müssen zuerst
eingeladen werden, es mag ihnen wohl nicht lieb sein, auf's Trockne zu kommen,
aber sie sollen schon einen nassen Stein zum Sitzen oder noch etwas Besseres
haben, und dann denke ich, werden sie es für diese Mal wohl nicht
abschlagen. Alle alten Dämonen erster Klasse mit Schweifen, den Alraun und
die Kobolde müssen wir haben, und dann denke ich, können wir das
Grabschwein, das Todtenpferd und den Kirchenzwerg nicht weglassen; sie
gehören freilich mit zur Geistlichkeit, die nicht zu unsern Leuten
gezählt wird, aber das ist nur ihr Amt, sie sind doch nahe verwandt und
machen uns fleißig Besuche."
"Brav!" sagte der Nachtrabe und flog davon, um einzuladen. Die
Elfenmädchen tanzen schon auf dem Elfenhügel, und sie tanzten mit
Schals, die aus Nebel und Mondschein gewebt waren, und das sieht recht niedlich
für die aus, die dergleichen lieben. Mitten in dem Elfenhügel war der
große Saal herrlich aufgeputzt, der Fußboden war mit Mondschein
gewaschen und die Wände waren mit Hexenfett abgerieben, so dass sie gleich
Tulpenblättern von dem Lichte glänzten. In der Küche waren
vollauf Frösche am Spieße, Schneckenhäute mit Kinderfingern
darin und Salate von Pilzsamen und feuchten Mäuseschnauzen mit Schierling,
Bier von der Sumpffrau Gebräu, glänzender Salpeterwein aus
Grabkellern.
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