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Die Blumen der
kleinen Ida
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 1 ( von 5 )
Meine armen Blumen sind ganz verwelkt!" sagte die kleine Ida! "Sie
waren so schön gestern Abend, und nun hängen alle Blätter
vertrocknet da! Warum?" fragte sie den Studenten, der im Sofa saß,
denn sie mochte ihn sehr gern leiden, er wusste die allerschönsten
Geschichten und schnitt belustigende Bilder aus: Herzchen mit kleinen Damen
darin, welche tanzten, Blumen und große Schlösser, woran man
Türen öffnen konnte; es war ein munterer Student! "Warum sehen
die Blumen so jämmerlich aus?" fragte sie wieder, und zeigte ihm
einen Strauß, welcher ganz vertrocknet war.
"Ja weißt du, was ihnen fehlt?" sagte der Student. "Die
Blumen sind diese Nacht auf dem Ball gewesen, deshalb lassen sie heute die
Köpfe hängen."
"Aber die Blumen können ja nicht tanzen!" sagte die kleine Ida.
"Ja wohl", sagte der Student, "wenn es dunkel wird und wir
andern schlafen, dann springen sie lustig umher; fast jede Nacht halten sie
Ball."
"Können keine Kinder mit auf den Ball kommen?"
"O ja" sagte der Student, "ganz kleine Gänseblümchen
und Maiblümchen."
"Wo tanzen die schönen Blumen?" fragte die kleine Ida."
"Bist du nicht oft vor dem großen Tore bei dem großen Schlosse
gewesen, wo der König im Sommer wohnt und der herrliche Garten mit den
vielen Blumen ist? Du hast ja die Schwäne gesehen, welche zu dir
hinschwimmen, wenn du ihnen Brotkrumen geben willst. Glaube mir, da
draußen ist großer Ball."
"Ich war gestern mit meiner Mutter draußen im Garten," sagte
Ida, "aber alle Blätter waren von den Bäumen, und da war
durchaus keine Blume mehr! Wo sind sie? Im Sommer sah ich viele!"
"Sie sind drinnen im Schlosse!" sagte der Student. "Wisse,
sobald der König und alle Hofleute zur Stadt ziehen, dann laufen die
Blumen gleich aus dem Garten in das Schloss und sind lustig. Das solltest du
sehen. Die beiden allerschönsten Rosen setzen sich auf den Thron, und dann
sind sie König und Königin, alle die roten Hahnenkämme stellen
sich zu beiden Seiten auf und stehen und verbeugen sich, das sind die
Kammerjunker. Dann kommen die niedlichsten Blumen, und dann ist da großer
Ball; die blauen Veilchen stellen kleine Seekadetten vor, sie tanzen mit
Hyazinthen und Krokus, welche sie Fräulein nennen. Die Tulpen und die
großen Feuerlilien sind alte Damen, die sorgen dafür, dass
hübsch getanzt wird und das es ordentlich zugeht!"
"Aber", fragte die kleine Ida, "ist da Niemand, der den Blumen
etwas zu Leide tut, weil sie in des Königs Schloss tanzen?" "Es
weiß eigentlich Niemand davon!" sagte der Student. "Zuweilen
kommt freilich in der Nacht der alte Schlossverwalter, welcher dort
draußen aufpassen soll, mit seinem großen Bund Schlüssel, aber
sobald die Blumen die Schlüssel rasseln hören, sind sie ganz still,
verstecken sich hinter den langen Vorhängen und stecken den Kopf hervor.
"Es riecht hier nach Blumen", sagt der alte Schlossverwalter, aber
sehen kann er sie nicht."
"Das ist lustig!" sagte die kleine Ida und klatschte in die
Hände. "Aber würde ich die Blumen auch nicht sehen
können?" "Ja", sagte der Student, "denke nur daran,
wenn du wieder hinauskommst, dass du in das Fenster siehst, so wirst du sie
schon gewahr werden. Das tat ich heute, da lag eine lange gelbe Lilie im Sofa
und streckte sich; das war eine Hofdame!" "Können auch Blumen
aus andern Gärten da hinaus kommen? Können sie den weiten Weg
machen?"
"Ja gewiss!" sagte der Student, "denn wenn sie wollen, so
können sie fliegen. Du hast die schönen Schmetterlinge gesehen, die
roten, gelben und weißen, die sehen fast aus wie Blumen; das sind sie
auch gewesen. Sie sind vom Stängel ab hoch in die Luft geflogen, und haben
da mit den Blättern geschlagen, als wenn es kleine Flügel wären,
und da flogen sie; und da sie sich gut aufführten, bekamen sie die
Erlaubnis, auch bei Tage herumzufliegen, brauchten nicht zu Hause und still auf
dem Stiel zu sitzen, und da wurden die Blätter am Ende zu wirklichen
Flügeln.
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