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Die Blumen der kleinen Ida

Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 2 ( von 5 )

Das hast du ja selbst gesehen! Es kann übrigens sein, dass die Blumen eines Gartens noch nie im Schlosse des Königs gewesen sind, oder nicht wissen, dass es dort Nachts so munter hergeht. Deshalb will ich dir etwas sagen! Dann wird er recht erstaunen, der Lehrer, welcher hier nebenan wohnt, du kennst ihn ja wohl? Wenn du in seinen Garten kommst, musst du einer der Blumen erzählen, dass draußen auf dem Schlosse großer Ball ist, dann sagt diese es allen andern wieder, und sie fliegen fort. Kommt dann der Lehrer in den Garten hinaus, so ist nicht eine einzige Blume da, und er kann gar nicht begreifen, wo sie geblieben sind." "Aber wie kann es die Blumen der andern erzählen? die Blumen können ja nicht sprechen!"
"Nein, das können sie freilich nicht!" erwiderte der Student, "aber dann geben sie sich Zeichen! Hast du nicht oft gesehen, dass, wenn es ein wenig weht, die Blumen sich beugen und alle die grünen Blätter bewegen? Das ist eben so deutlich, als ob sie sprächen!"
"Kann der Lehrer denn die Zeichen verstehen?" fragte Ida. "Ja, sicherlich! Er kam eines Morgens in seinen Garten und sah eine große Brennnessel stehen und mit ihren Blättern einer schönen roten Nelke Zeichen geben. "Du bist niedlich und ich bin dir gut;" sagte sie, aber dergleichen kann der Lehrer nicht leiden, und schlug sogleich der Brennnessel auf die Blätter, denn das sind ihre Finger, aber da brannte er sich, und seit der Zeit wagt er es nicht eine Brennnessel anzurühren."
"Das ist lustig!" sagte die kleine Ida und lachte.
"Wie kann man einem Kinde so etwas erzählen:" sagte der alte Herr, welcher zum Besuch gekommen war und im Sofa saß. Dieser konnte den Studenten gar nicht leiden und brummte immer, wenn er ihn die possierlichen, muntern Bilder ausschneiden sah; bald war es ein Mann, der an einem Galgen hing und ein Herz in der Hand hielt, denn er war ein Herzensdieb, bald eine alte Hexe, welche auf einem Besen ritt und ihren Mann auf der Nase hatte; das konnte der alte Herr nicht leiden, und dann sagte er, gerade wie jetzt: "Wie kann man einem Kinde so etwas erzählen! Das sind dumme Luftschlösser!"
Aber der kleinen Ida schien es doch recht drollig zu sein, was der Student von ihren Blumen erzählte, und sie dachte viel daran. Die Blumen ließen die Köpfe hängen, denn sie waren müde, da sie die ganze Nacht getanzt hatten. Da ging sie mit ihnen zu ihrem andern Spielzeug, welches auf einem niedlichen kleinen Tische stand, und das ganze Schubfach war voll schöner Sachen. Im Puppenbette lag ihre Puppe Sophie und schlief, aber die kleine Ida sagte ihr: "Du musst aufstehen, Sophie, und dich damit begnügen, diese Nacht im Schiebkasten zu liegen; die armen Blumen sind krank, und da müssen sie in deinem Bette liegen, vielleicht werden sie dann wieder munter!" Da nahm sie die Puppe heraus, die sehr verdrießlich aussah und nicht ein einziges Wort sagte, denn sie war ärgerlich, weil sie ihr Bett nicht behalten konnte.
Dann legte Ida die Blumen in das Puppenbett, zog die kleine Decke ganz über sie herauf und sagte, nun sollen sie hübsch still liegen, so wolle sie ihnen Tee kochen, damit sie wieder munter werden und morgen aufstehen könnten, und sie zog die Vorhänge dicht um das kleine Bett zusammen, damit die Sonne ihnen nicht in die Augen schiene.
Den ganzen Abend konnte sie nicht unterlassen, an das zu denken, was ihr der Student erzählt hatte, und als sie nun selbst zu Bette gehen sollte, musste sie erst hinter die Vorhänge sehen, welche vor dem Fenster herabhingen, wo ihrer Mutter herrliche Blumen standen, sowohl Hyazinthen wie Tulpen und da flüsterte sie ganz leise: "Ich weiß wohl, ihr sollt diese Nacht tanzen!" Aber die Blumen taten, als ob sie nichts verständen und rührten kein Blatt, allein die kleine Ida wusste doch, was sie wusste.

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