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Von den
achtzehn Soldaten
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 2 ( von 4 )
Die Achtzehn gingen den Weg rechter Hand und an dem großen Baum das
zweite Pfädchen links und dann durch die offene Tür in den Berg
hinein. Da drinnen war es ganz hell, wie draußen auch, und eine
schöne breite Straße führte immer weiter hinein. Da sie ein
gutes Stück darauf fortmarschiert waren, kamen sie vor eine aufgezogenen
Zugbrücke, die ließ sich aber von selber vor ihnen herab, dass sie
darüber gehen konnten. Nun waren sie in einem großen Hof. sie
wanderten wieder eine Zeitlang weiter, dann kamen sie an eine zweite
Zugbrücke, die sich niederließ wie die erste und über welche
sie in einen andern Hof gelangten, Ebenso ging es noch ein Mal über eine
dritte Brücke und in einen dritten Hof - da stand mitten darin ein
wunderschönes Schloss.
"Rangiert euch!" kommandierte der Feldwebel, ließ die
Mannschaft in Reihe und Glied herantreten und die Unteroffiziere auf die
Flügel; "Geschwindschritt Marsch!" hieß es dann, der
Tambour schlug ein, und die Achtzehn marschierten zum Schlosstor hinein, und
als sie darinnen waren erklärten sie das Schloss für erobert. Sie
hatten freilich gut erobern, denn es war ringsum nichts Lebendiges zu sehen und
zu hören; wohl aber fanden sie einen großen Saal, wo für
achtzehn Mann gedeckt und aufgetragen war, was ihnen gar wohl gefiel. Neben dem
Saale waren achtzehn schöne Schlafkämmerchen, eines wie das andere,
ein jedes mit einem prächtigen seidenen Bett, und das gefiel ihnen auch.
Nun setzten sie sich ohne weiteres zu Tisch, damit es nicht kalt werden sollte
und lebten hoch in Freuden bis in die Nacht hinein; dann krochen sie in die
weichen seidenen Betten und schliefen wie die Grafen. Der Feldwebel war der
Erste, der des andern Morgens wieder aufwachte. Er wollte sich anziehen und den
Tambour wecken, dass er Reveille schlüge, doch seine Montur war fort und
nirgends mehr zu sehen. Er hing sich das Bettuch um und rief seine Kameraden -
da kamen sie auch heraus, Einer nach dem andern, aber Einer wie der Andere im
Betttuch gleich dem Feldwebel, denn ihre Kleider waren auch verschwunden, als
wären sie niemals da gewesen. Als sie sich im Saale umschauten, sahen sie
mitten auf dem Tisch zwei große Kisten stehen, sie machten den Deckel
auf, da fanden sie in dem einen Kasten eine Feldwebelmontur, eine Sergeanten-,
Eine Korporals- und eine Tambour-Montur und vierzehn Stück gemeine
Soldatenmonturen. Alles war funkelnagelneu, als wenn es eben vom Schneider
käme, und passte wie angegossen. -
In den andern Kisten waren siebzehn prächtige neue Gewehre, Säbel und
Patronentaschen und eine nagelneue Trommel für den Tambour! Das war eine
Herrlichkeit!
Als die erste Freude vorüber war, sagte der Feldwebel, weil sie jetzt
wieder das Ansehen von ordentlichen Soldaten hätten, so wollten sie auch
ihren Dienst tun wie es sich gehörte.
Darauf führte er einen Teil der Mannschaft in die Wachstube am Schlosstor,
teilte sie zum Schildwachstehen in drei Nummern ab und von nun an mussten sie
ordentlich auf Posten ziehen und alle zwei Stunden ablösen wie es sich
gehörte.
Als sie es schon eine Zeit lang so getrieben hatten, da kam eines Tages eine
prächtige sechsspännige Kutsche angefahren und hielt vor dem
Schlosstor. Ein Bediensteter in einem goldenen Rock machte den Schlag auf und
eine wunderschöne Dame stieg heraus. sie ließ sich von der
Schildwache den Feldwebel herausrufen, ging mit ihm hinauf in seine
Schlafkammer und sprach zu ihm: "Ich bin eine verwünschte Prinzessin,
d aber sollst mich erlösen und mein Bräutigam sein. Von Morgen an
wird jeder Tag eine andere Prinzessin kommen, die erste zum Sergeanten, die
zweite zum Korporal und so immer fort, bis ein Jeder von euch die Seinige
gesehen und mit ihr gesprochen hat. So muss es geschehen, damit ihr uns
erlösen könnt."
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