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Fürchten lernen

Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 2 ( von 4 )

"Nein" sprach der Bube "es waren so ein paar schwarze Kerls da und haben mich geheißen die Kegel aufsetzen, aber von dem Fürchten hat Keiner was zu mir gesprochen." Da hieß ihn der Schulmeister einen vernagelten Dummkopf, tröstete aber den alten Bauern, als der hinzukam, er solle sich nur zufrieden geben und es abwarten bis zum andern Tag, er wollte es noch weiter versuchen mit dem Jungen.
Sobald es dunkel ward, musste mein Peter wieder allein in der Kirche bleiben. "Diesmal sollen sie mich in Frieden lassen" sprach er und stieg hinauf, ganz oben auf die Orgel, damit er seine ordentliche Nachtruhe hätte. Es hatte aber kaum elf Uhr auf dem Turm geschlagen, so ging das Getöse wieder los, nur diesmal viel ärger als in der vorigen Nacht, und auf einmal kam eine pechschwarze Dame mit einem großen feuerfarbenen Umhängetuch hinter dem Altar vor und ließ sich auf die Knie fallen, gleich als ob sie eifrig beten wolle. "Zu unserm Herrgott betet die gewiss nicht" sprach zu sich selber der Peter, "aber das goldige Umhängetuch sollte meiner Schwester auch nicht schlecht stehen, wenn sie Sonntags darin spazieren ginge." Wie er nun trotz seiner Bequemlichkeit doch eigentlich ein naseweiser Bursch war, kletterte er leise von seiner Orgel herab und schlich sich von hinten herbei an das kniende Weibsbild, riss ihr auch in einem Nu das Tuch von den Schultern herab und sprang wie ein Eichhorn wieder hinauf auf sein Plätzchen. Gar jämmerlich bar ihn da die Dame, er solle ihr doch das Tuch wieder herabwerfen, sie hätte ja kein anderes mehr, aber hinauf konnte sie nicht und dort unten redete sie dem Peter lange gut. Er legte sich wieder ruhig aufs Ohr bis zum andern Morgen, und als der Alte mit dem Lehrer hineinkam hatten sie wohl Mühe ihn droben zu finden und aufzuwecken, aber im Fürchten hatte er es noch um kein Haar breit weiter gebracht. Diesmal war der Schulmeister fuchswild und sprach es sei an dem Bengel Hopfen und Malz verloren; aber zum dritten Male sollte es denn doch noch mit dem dummen Peter probiert werden.
In der dritten Nacht war es dem Jungen doch nicht so ganz einerlei und es kam ihm beinahe vor, als wenn er doch vielleicht etwas von dem Fürchten lernen könnte. "Ich will mich in des Herrn Pfarrers Stuhl setzen", sprach er, "da drinnen bin ich sicher, wenn mich das Weibsbild auf der Orgel sucht." Gesagt, getan; er schlief auch bald wieder ein, aber da tat es auf einmal einen Schlag, dass alle Fenster zitterten und ein gelber Schein fuhr von oben herunter. "Man meint, der Teufel wolle selber kommen und Kirche halten" dachte der Peter und so war es auch ungefähr, denn der Teufel fuhr herab in leibhaftiger Gestalt und setzte sich dicht neben den Peter, in den Stuhl bei dem Pfarrsitz. Der Junge war so still wie eine Maus, der Böse aber langte in seinen Rocksack, brachte einen Pack Papier heraus und fing an, darin herumzublättern. Das waren lauter Handschriften von vornehmen und geringen Leuten, die sich dem Teufel sündhaft verschreiben hatten. wie er nun so damit hantierte und sie nachzählte, ließ er aus Versehen ein paar davon auf den Boden fallen. Das merkte sich der Peter; eh es der Schwarze gewahr wurde, hatte er sie aufgerafft und eingesteckt und der Böse fuhr wieder hinaus, ohne ihn gesehen zu haben. Als aber am Morgen der Schulmeister kam, erzählte er ihm alles: die Papiere da hätte er sich aufgelesen, und des Herrn Schulmeisters Name stehe ja auch darauf.
Da riss ihm der Lehrer in großem Zorne die Handschrift weg und sprach zu dem alten Bauern: er wolle ihm das Lehrgeld für seinen ungeratenen Sohn wiedergeben, für den jungen wisse er ihm aber keinen andern Rat mehr, als das er ihn fortschicke in die weite Welt, denn alle Mühe und Weisheit sei an ihm verloren, wenn ihm nicht in der Fremde ein Licht im Kopfe aufginge. Also gab der Alte dem Buben zweihundert Gulden und hieß ihn nicht eher wiederkommen, als bis er ein gescheiter Mann wäre.

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