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Der
Fischersohn, der Rappe und der Schimmel
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 3 ( von 3 )
Er rieb sich vergnügt die Hände und lachte so recht froh in sich
hinein, denn von dem Vogel Greif hatte er in dem buche gehört. Als der
Vogel am folgenden Tage wieder kam und desselben Weges flog, erzählte er
Abends dem Bauern davon. "Ich kenne ihn nur allzu wohl", sprach der
Bauer, "er hat mir mehr als ein Schwein gefressen, darum nimm dich nur in
Acht, dass du dem Berge nicht zu nahe kommst." "Ei was, mir holt er
kein Schwein", rief der Jüngling, und jetzt treibe ich gerade Wegs
nach dem Berge hin." "Das magst du tun", sprach der Bauer,
"fehlt aber am Abend ein Schwein, dann bekommst du Prügel und ich
jage dich weg."
"Frisch gewagt ist halb gewonnen" sprach der Jüngling, als er am
folgenden Morgen die Herde austrieb und fuhr auf den Berg zu, denn auch auf dem
Berge stand in dem buche geschrieben. Gegen Mittag kam der Vogel Greif
herangeflogen wie ein große dunkle Wolke. Als er nahe bei dem Berge die
Schweineherde erblickte, schoss er nieder und packte eins mit seinen
großen grausigen Klauen, aber der Jüngling hatte nicht vergessen,
was er weiter in dem Buch gelesen hatte; er riss ihm schnell drei Federn aus,
steckte zwei hinter die Ohren und nahm eine in den Mund: Jetzt riss er ihm das
Schwein weg, griff ihn am Halse und drückte ihm die Kehle, bis der
mächtige Vogel tot darin sank. Alsdann schnitt er ihm mit seinem Messer
den Leib auf und holte ein großes weißes Ei daraus: damit konnte er
die Prinzessin erlösen. Heisa, jetzt war er wieder oben und hätte mit
keinem König und Kaiser getauscht. Jubelnd und singend trieb er seine
Herde heim. Der Bauer erstaunte, dass er schon so früh zurückkam,
aber ehe er noch fragen konnte, was die Ursache davon sei, erhob sich der
Jüngling durch die Kraft der Greifenfedern in die Luft und der Bauer hatte
das Nachgucken.
Er flog aber hoch, hoch empor und schaute sich um bis er das Schloss erblickte;
in der Nähe desselben ließ er sich auf einem Baume nieder und
wartete den Abend ab. Dann flog er auf einen hohen Lindenbaum, welcher in dem
Garten stand und worunter er die beiden Gestalten jeden Abend hatte sitzen
sehen. In den Ästen verborgen hielt er sich ganz still. Als er eine Weile
da gesessen hatte, öffnete sich die Stalltüre: zuerst schlüpfte
das graue Männchen heraus, dann kam die weinende Frauengestalt und zuletzt
die Riesengestalt. Das Männchen lief ins Schloss, die beiden andern aber
kamen auf den Lindenbaum zu und setzte sich unter ihm nieder. Ach wie klopfte
ihm jetzt das Herz! Er griff leise in den Sack, fasste das Ei, zielte gut und
patsch! flog es gegen des Riesen Stirn. Zugleich aber tat es einen
Donnerschlag, als breche das ganze Schloss zusammen, so dass der Jüngling
sich an den Ästen der Linde halten musste und die Augen zudrückte.
als er wieder aufschaute, waren die beiden Gestalten verschwunden und da stand
ein König mit goldener Krone auf dem Haupte und eine Prinzessin so
wunderschön, dass es ihres Gleichen nicht mehr gibt. Aus dem Schloss kamen
die Hofherren und Diener gerannt, alle begrüßten und küssten
sich und da war eine Freude sonder Gleichen. Der König wandte sich aber um
und rief dem Jüngling, er möge niedersteigen und als er das getan,
legte er des Jünglings Hand und die der Prinzessin zusammen und sprach:
"Du hast es um uns verdient, dass du mein Sohn wirst; wahre dir dein gutes
Herz, dann wird das Glück dich auch bewahren." Also wurde der
Fischersohn zu einem königlichen Prinzen; wer weiß, was aus dir noch
Alles werden kann? - Wo ist denn das graue Männchen geblieben? Das hatte
der alte Taglöhner Hans vergessen, als er mir's erzählte, kommst du
nach Jugenheim, so frage ihn, es wird ihm wieder eingefallen sein.
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