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Der
Fischersohn, der Rappe und der Schimmel
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 2 ( von 3 )
Wenn er aber Abends oft im Garten saß und so über allerhand
nachdachte, dann sah er zwei Gestalten herumwebern, von denen er nicht recht zu
sagen wusste, was sie eigentlich waren. die eine schien groß und wie ein
Riese und war doch kleiner, die andere schien kleiner und wie ein Weib, aber
sie war doch keins. Die fuhren da herum, erschienen und verschwanden und er
konnte weiter nichts bemerken, als dass die zweite immer betrübt und zu
weinen schien. Er zerbrach sich oft den Kopf über sie, wurde aber darum
kein Haarbreit klüger als er gewesen war.
Als ein Vierteljahr herum war, bat der Jüngling das Männchen um
Urlaub, er wollte einmal seine Eltern wiedersehen. Das Männchen bewilligte
es ihm gern, nur riet es ihm abermals den Ratschlägen seiner Mutter kein
Gehör zu geben. Der Jüngling ritt auf seinem Rappen weg und stand ehe
er sich's versah am See. Als er aber nach seinem Vaters Haus suchte, war davon
nichts mehr zu sehen und an seiner Stelle stand ein prächtiges Schloss.
Man kann sich denken mit welcher Freude seine Eltern ihn empfingen. Seine
Brüder waren alle verheiratet und reiche Kaufleute in großen
Stätten. Das hielt ihm seine Mutter vor und sprach: "Diese sind
versorgt, du weißt aber noch nicht, was du hast, du musst jetzt bald an
deine Zukunft denken." Nachdem er ihr aber erst erzählt hatte, wie
Alles im Schlosse war und zuging, da ließ sie ihm keine Ruhe mehr und
sagte: "Sei kein Thor und überzeuge dich von Allem. Das graue
Männchen missgönnt dir dein Glück. Ich an deiner Stelle
müsste vor Allem wissen, was in dem Buche steht, eher könnt ich die
Nacht kein Auge zutun und schmeckte mir weder Essen noch trinken. Das graue
Männchen erfährt ja nichts davon, du musst es nur recht heimlich
tun." Also redete sie ihm so viel und so lange zu, bis er ihr versprach,
er wolle das Buch lesen und ihr, wenn er wiederkomme sagen, was darin stehe.
Nach einigen Tagen nahm er Abschied von seinen Eltern und ritt wieder nach dem
Schloss zurück. dort besiegte er wohl Anfangs die Versuchung nach dem
Buche zugreifen, nach und nach aber, als sie immer wiederkehrte meinte er, es
sei ihm ja nur verboten, darin zu lesen, sehen könne er es immer. Als er
es eine Zeitlang gesehen und immer wieder gesehen hatte, meinte er, ein wenig
könne er immerhin darin lesen, aber als er einmal am Lesen war, da ruhte
er nicht, bis er es ganz ausgelesen hatte. Jetzt wusste er wohl, dass der
Schimmel eine verwünschte Prinzessin und der Riese ihr Vater sei, dass das
Schloss ihr gehöre und sie jede Nacht Menschengestalt annähme, auch
wusste er, wie sie erlöst werden konnte, aber im selben Augenblick stand
auch das graue Männchen vor ihm und fragte zornig: "Was hast du
gemacht?" Leugnen half da nichts, das Männchen fasste ihn beim Kragen
und warf ihn vor die Tür des Schlosses, indem es sprach:
"Hättest du nur ein Jahr lang meine Ratschläge befolgt, dann
warst du glücklich auf Lebenszeit, jetzt magst du die Säue
hüten. Das hast du davon", und da flog das Tor hinter ihm zu.
Da stand er nun im wilden Walde und ganz mutterseelenallein. Er fasste aber
bald Mut, dachte, es sei ja nicht Alles verloren und er wisse doch, wie er die
Prinzessin erlösen könne, schnitt sich einen Stock und arbeitete sich
durch das Gebüsch. Viele Tage ging er also weiter und nährte sich von
Wurzeln und Kräutern. Endlich wurde es lichter und er kam an ein Dorf. Da
frug er die Bauern, ob es keinen Dienst für ihn gebe? "Jawohl",
sprach einer von ihnen, "wenn du mir die Säue hüten willst, dann
kannst du bei mir ankommen." Das war allerdings hart und besonders jetzt,
nachdem er lange Zeit so gut gehabt hatte, aber was wollte er machen? Er wurde
mit dem Bauern um einen geringen Lohn einig, bekam ein Eckchen neben dem
Schweinestall als Schlafstelle und trieb am folgenden Morgen mit seinen
Schweinen aus. wie er nun so auf dem Felde saß und über sein
Schicksal nachdachte, rauschte es gewaltig über ihm in der Luft und da
flog der Vogel Greif daher und ließ sich in der Ferne auf einen Berg
nieder.
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