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Die
Rosenkönigin
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 3 )
Es war einmal ein König, der lebte sehr glücklich mit seiner
schönen, tugendsamen Gemahlin; ein einziges Söhnlein war ihnen vom
Himmel geschenkt, und dieses war die Lust der Eltern. Doch nicht nur in des
Königs hoher Familie war es so friedsam, sondern in seinem ganzen Lande;
überall, auch in dem kleinsten Dörflein war Verdienst und Wohlstand,
und das Volk war zufrieden und freundlich. Einer weisen, milden Regierung
entblüht Ordnung; Ordnung aber bringt Wohlstand, Wohlstand Zufriedenheit,
Freundlichkeit.
Der gute König musste jedoch ein gar herbes Schicksal erfahren; seine
liebe Gemahlin starb und ließ ihn einsam zurück, mit dem nun
mutterlosen Prinzen. Tief trauerte der König und das ganze Land mit ihm.
Auch das kleine fromme Kinderherz des Prinzen war sehr betrübt, denn es
hatte mit aller kindlichen Liebe an seiner Mutter gehangen. Auf dem Sterbebette
hatte sie ihn gesegnet, und ihn noch scheidend zu allem Guten ermahnt, zum
treuen Glauben an Gott, zur Liebe und Milde gegen alle Menschen.
"Und wenn Du ein Jüngling geworden bist" waren ihre letzten
Worte "so wähle Dir nur ein Mägdlein frommen, guten Herzens zu
Deiner Gemahlin, und ehre das Andenken Deiner Mutter und ihrer letzten
Worte." Diese hatte einen tiefen Eindruck in das weiche Herz des Knaben
gemacht, immerdar gedachte der Prinz seiner sterbenden Mutter, und es kam ihm
oft vor, als umschwebe sie ihn und lächle ihm selig zu. So wuchs der Prinz
in frommer Sitte empor, und wurde ein schöner, blühender
Jüngling.
Doch das königliche Vaterauge war verblendet worden von einer
fürstlichen, listigen Dame, die den Herrscher gar bald mit ihren
erkünstelten Reizen also schlau zu fesseln wusste, dass er ihr nachgab und
sie ihn völlig beherrschte. Bald fand das glänzende Hochzeitsgelage
statt. Der bejahrte König, sonst so gut und milde, war zum alten Toren
geworden, und hatte sein Leben an ein listiges, böses Schlangenherz
gekettet; nur zu bald musste er die bittere Frucht seiner Torheit kosten; das
böse Weib stiftete allenthalben Unheil an, erregte den Vater wider den
Sohn, und den Sohn wider dem Vater und die Herrschaften wider die Diener, und
übte ihre frev'le Verblendungskunst immer fort, so dass sie die Herzen
alter und junger Männer für sich entflammte. Eine kurze Zeit, und das
reuevolle Leben des Königs hatte geendet. Der Prinz wurde König und
beherrschte das Volk mit der Klugheit und Milde, die überall zum wahren
Wohle des Landes dient. Aber an ihm übte die arge Stiefmutter ihr
Künste vergebens, er verachtete sie im Stillen und suchte sich immer in
heilsamer Entfernung von ihr zu halten.
Da wünschte das Land, dass der jungendliche König sich vermähle;
auch er in seinem Innern trug das stille Verlangen, sein Glück mit einem
würdigen Frauenbilde zu teilen, aber nicht Stand und Reichtum oder eine
Krone sollte diejenige schmücken, die er sich wählen wollte, sondern
ein gutes, frommes Herz, wie es seine sterbende Mutter gewünscht. Und ein
solches hatte er gefunden, zwar nur das eines armen, schlichten
Gärtnermädchens, das aber voll war von reiner Liebe und frommen
Glauben. Diese Jungfrau war dem Königssohn bald so innig befreundet, dass
der Jüngling ihr zu Füßen sank und ihr ewige Liebe und Treue
schwur. Zärtlich und in Tränen schmiegte sich das liebliche
Mädchen an die Brust des Jünglings und lispelte: "Ach, Du darfst
mich ja nicht zur Gemahlin nehmen, siehe ich bin ja arm, bin keine
Prinzessin." - "Sei ruhig, lieb Herz" sprach der Jüngling
"Du sollst meine Gemahlin, meine Königin werden, Du und keine
Andere."
Der Wunsch nach der Vermählung des Königs wurde lauter und
dringender; von allen Seiten her begannen die Väter fürstlicher
Töchter dem König Vorschläge zu machen.
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