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Die
Rosenkönigin
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 3 )
Die böse Stiefmutter wähnte den so jungen König gänzlich
unter ihrer Herrschaft, dass sie sich anmaßte, eine Gemahlin für ihn
zu wählen. Sie ordnete glänzende Festlichkeiten an, wozu viele
Prinzessinnen geladen waren, die reich geschmückt und voll Hoffnung zur
Schau kamen. Acht Tage hatten die Feste schon gewährt und der König
hatte noch keine Prinzessin zur Braut gewählt, und hatte auch alle
Vorschläge seiner Stiefmutter unbeachtet gelassen. Am neunten und letzten
Festtage sollte sich's entscheiden, so hatte der König selbst
verheißen. Die Stiefmutter glaubte voll Zuversicht, dass der König
in ihrer Wahl eingehen werde, denn sie hatte eine hohe Prinzessin zwar
hässlich von Gesicht und Gestalt, aber unsäglich reich an Gut und
Geld für ihn erwählt. Ein glänzender Ball sollte die Feste
beschließen, und diesmal waren alle Prinzessinnen doppelt mit Juwelen und
Schmuck beladen, da eine jede glaubte, den Sieg davon zu tragen. Doch wie alle
in gespannter Erwartung dem König entgegen harrten, tat sich die
Flügeltüre auf, und der König trat lächelnd mit seinem
lieblichen Gärtnermädchen herein, die so sittig und bescheiden in
einem weißen Kleidchen und völlig ohne Schmuck erschien. Da
sprühten manche Augen im Kreise der Prinzessinnen voll Ärger und Wut,
doch die der Stiefmutter rollten am wildesten und schleuderten grimme Blitze
nach dem glücklichen Liebespaar. Jetzt nahten sich diese Beiden der
königlichen Stiefmutter, die in der Mitte des Saales, von boshaft
lächelnden Prinzessinnen umgeben, weilte; und der König sprach mild
und freundlich: "Hohe, verehrte Mutter, hier bringe ich Euch meine liebe,
fromme Braut, und bitte Dich mit ihr um Euren Segen." Aber die Dame sprach
voll Zorn und Wut: "König, solltet Ihr also Eurer Ehre vergessen und
eine gemeine Dirne freien? O schämt Euch, mich so tief zu kränken,
und um meinen Segen für eine schlechte Magd zu bitten." Und sie
wandte ihm den Rücken, und schritt voll Grimm und Bosheit einem
Nebengemach zu. Aber der König folgte ihr nach und sprach mit einem
strengen, drohenden Ernst: "Weib, das Wort soll Euch schwer wiegen.
Wahrlich ich will Euch zeigen, dass dieses arme Mädchen würdiger ist,
Königin zu heißen, als Ihr und alle eitlen Prinzessinnen. Eine Kunst
habe ich einstmals von einem alten Einsiedler erlernt: die Menschen zu
verzaubern, ihre Herzen zu prüfen, ob sie gut oder böse sind.
Schwört, hohe Frau, mir dann die schönste zu wählen, wenn alle
hier anwesenden Jungfrauen verzaubert, in Gestalt einer Blume stehen, so will
ich Euch gehorsam sein. Aber trifft dann Eure Wahl mein armes
Gärtnermädchen, so falle der Zauber auf Euch, dass Ihr ewig darinnen
verstrickt bleibet." - Der König schwieg; und die stolze Dame grinste
voll Zuversicht ob ihres Sieges. "Ach mein hoher Künstler"
entgegnete sie "verzaubert immerhin alle anwesenden Jungfrauen, ich will
Euch die schönste wählen, und bin gewiss dass ich nicht Euer Drohung
teilhaftig werde. Euere seltsame Laune soll mir ein ergötzlicher Scherz
sein."
Und sie ließ sich auf einem samtenen Sessel nieder und harrte der Dinge,
die da kommen sollten.
Da breitete der königliche Jüngling ein großes weißes
Tuch aus, führte schweigend eine Prinzessin um die andere in das
Nebengemach und verhüllte sie damit, wo sie alle sobald einschlummerten.
Dann schnitt er einer Jeglichen das Herz aus, zuletzt auch seinem lieben
Gärtnermädchen. Der Ballsaal verwandelte sich in eine grünende
Gartenflur, von einem goldenen Zaun umschlossen, von singenden Vögeln
durchflattert. Da vergrub der Jüngling die Herzen, und sprach bei einem
Jeglichen:
Blühe, blühe, blühe
Aus der Erde auf!
Bist du rein
Wirst du hold gedeih'n.
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