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Die Rosenkönigin

Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 3 ( von 3 )

Aber treibe wilde Dornen
Wenn du böse wirst sein.
Bald keimten und sprossten Zweiglein und Blättlein empor. Wilde Dornsträucher wuchsen rasch aus der Erde; nur hie und da erschloss sich eine farbige Blüte.
Aber in des Gartens Mitte stand ein Blütenstängel, dessen zartem Kelch entfaltete sich eine herrliche Rose, eine Rosenkönigin. Glänzender Tau träufte auf ihn nieder, und das grüne Laub schmiegte sich zärtlich an die Blüten. Jetzt kam eine Schar Nachtigallen geflogen, die die Rosenkönigin umkreisten und sangen;
Holde, holde Rose,
Hehre Blumenkönigin!
Du die schönste unter Allen,
Du die reinste unter Allen
Sollst die ganze Welt bezwingen
Mit der frommen Liebe Sinn.
Hehre Rosenkönigin!
Aber um die Dornensträucher flogen schwarze Raben und krächzten auch ihr Lied:
Wilden Dornen, wilde Dornen,
Schwarz wie unser Nachtgewand.
Sollt am besten uns gefallen
Mit den tausendfachen Krallen.
Sollet dienen in den Höllen,
In der ew'gen Pein, zum Brand.
Schwarze Dornen, Nachtgewand.
Da führte der König die stolze Dame herein in den Garten, auf dass sie die schönste der Blüten für ihn wähle, und als sie die zauberschöne Rose sah und die Nachtigallen singen hörte, die über ihr im Kreise flatterten, als sie das liebliche Liedlein vernahm - da stand sie so beschämt, und war von der Rose zaubervoller Macht ergriffen und gerührt, ihr war als fühle sie eine warme Liebe, und sie gedachte in diesem Augenblick reuevoll an ihre verübten Bosheiten und Ränke. Und als sie nun die Dornensträucher sah, darüber die schwarzen Raben ein Höllenlied krächzen, da überlief sie eine Angst, ein Todesgrauen; und sie sprach: "Mein Königssohn ich muss Euch die holde Rose wählen, sie ist die Schönste." Nun bewegten sich alsbald der Rose Zweige und Blätter und Blüten, und verschmolzen sanft zum Körper eines lieblichen Mädchens, das keine andere war als das fromme Gärtnermädchen. Und es schien noch schöner und bescheidener als zuvor.
Aus den andern Blumen und Dornensträuchern bildeten sich wieder Prinzessinnen, die wie aus einem schweren Traum erwachten. Aber des Königs Stiefmutter war vor Scham und Reue niedergesunken und lag in Betäubung. Und die schwarzen Rabenvögel hackten ihr das Herz aus, und sie wurde zu Stein, von wilden Dornen umstarrt. Die Prinzessinnen eilten scheu davon, wurden aber besser und demütiger in ihren Herzen.
Und der König lebte glücklich und fromm mit seiner Gemahlin, dem Gärtnermädchen, und des Himmels Segen war mit ihnen.

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