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Die Königskinder

Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 3 )

Diesmal kam aber die Tochter, denn die Alte war schon hinaus in den Wald. Dem guten Mädchen taten die lieben Kinder herzlich leid, sie wollte ihnen gern helfen, allein sie selbst musste sich sehr vor der bösen Mutter fürchten. - Sie fragte liebreich die Kinder: "Wie heißet ihr denn?" Da antwortete das Knäblein schluchzend: "Ich heiße Irmin, und mein Schwesterchen heißt Elmine, wie heißt Du denn?" Sie sagte: "Ich heiße Käthe. Aber wer ist denn euer Vater? Wo seid ihr denn her?" - Das Knäblein sprach: "Mein Vater trägt einen goldenen Mantel und eine Krone und unsre Heimat ist so schön, Du solltest nur einmal zu uns kommen." Käthe sprach: "Ich will versuchen, euch zu befreien, aber jetzt gleich kann es nicht geschehen; seid nur ruhig und geduldig, ich lasse euch nimmermehr schlachten. Esset eure Milch, ich will euch auch Erdbeeren und Brot bringen, seid nur ruhig, liebe Kinderchen. Und so lange ich noch keinen Plan zu eurer Rettung gefunden, so lange nehmt diese zwei Hölzchen, und wenn meine Mutter kommt und spricht: haltet einmal eure Finger heraus, ich will sehen ob ihr ob ihr fett seid, so haltet diese Hölzchen hin, dass sie euch noch nicht für fett genug befindet, und nicht schlachtet."
Die Kinderchen fühlten sich getröstet von Käthe's Worten, sie hörten auf zu weinen, aßen und tranken und freuten sich schon herzlich, dass sie nach Hause kommen sollten. Des Abends, wenn die Alte heim kam, ging sie allemal zum Stall und rief den Kindern zu: "Steckt eure Finger heraus," aber die Kinder hielten ihre Hölzchen hin, die Alte schnitt hinein mit einem scharfen Messer und sprach jedes Mal. "Ihr seid noch dürre!" und ging wieder fort. Und am Morgen, wenn die Alte fort war, dann kam die gute Käthe zu den Kindern, brachte ihnen Speise und tröstete sie.
Aber einmal, als die Alte Abends zu den Kindern kam, hatten diese ihre Hölzchen verloren und mussten ihre zarten Fingerchen hinausreichen, und die Alte schnitt hinein, und schrie voll Freude: "Nun seid ihr fett, morgen schlachte ich euch!" - O welches Herzeleid für die armen Kinder! Am Abend noch musste Käthe Wasser beitragen, dass die Kinder nach dem Schlachten damit gebrüht würden. Und die Käthe weinte heimlich, und sann und sann, wie sie noch die armen Kinder befreien könnte. In der Nacht schlich sie ganz leise von ihrem Lager, spuckte darauf und sprach mit leiser Stimme:
Liebes, liebes Bette, sprich,
Wenn die Mutter ruft, für mich.
Dann spuckte sie auf ihre Lade, auf die Treppe, und in die Küche, und bat allemal so. Dann machte sie den Stall auf, ließ die Kinder heraus und entfloh mit ihnen.
Am Morgen rief die Alte: "Käthe, steh gleich auf und schüre Feuer an," und es antwortete: "Ich bin schon auf!" Nach einer Weile, als Käthe nicht kam, rief die alte wieder: "Käthe, kommst du noch nicht?" Da antwortete es: "Ich sitze schon auf meiner Lade und ziehe Strümpfe an!" Aber es verging wieder eine Weile und Käthe kam nicht, und die Alte rief. "Käthe, wo bleibst Du denn?" Da tönte es : "Ich bin schon auf der Treppe!"
Die Alte schlief wieder ein, und als sie endlich abermals erwachte, und draußen alles ganz ruhig war, schrie sie zornig: "Käthe, faule Strunze, wo bleibst Du denn?" Da sprach es: "Ich bin ja in der Küche." Aber die Alte hörte nicht das geringste Geräusch, da fuhr sie endlich vom Lager auf, und wollte Käthe tüchtig ausschelten und durchprügeln, aber siehe da, keine Käthe war zu finden und auch die Kinder waren fort. - Nun war die Alte außer sich vor Wut, und schritt flugs von dannen, um ihre Tochter und die Kinder zu suchen und fürchterlich Rache zu nehmen.
Vermöge ihres Zauberrings hatte sie sogleich die Spur der Flüchtlinge entdeckt, und machte so hastige Schritte, dass sie gar bald die Dreie in einiger Entfernung gewahrte. Auch die Kinder hatten sich umgesehen, und das alte böse Weib mit Schrecken bemerkt, und sie wussten nicht wo nur hinaus und hinan vor Angst, dass sie der Alten schnell genug entwichen, denn diese kam mit Riesenschritten herbei.

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