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Des kleinen
Hirten Glücktraum
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 3 )
Kaum hatte er aber zur Ruhe sich niedergelegt und war entschlummert, als ein
Geräusch ihn wieder erweckte: es zog eine Schar Männer im lauten
Gespräch an dem Busch vorüber, in welchem er sich gebettet. Leise
machte der Knabe sich hervor und ging den Männern in einer kleinen
Entfernung nach, und dachte, vielleicht findest du doch noch eine Herberge; wo
diese Männer heute schlafen, kannst du gewiss auch schlafen. Gar nicht
lange waren sie weiter gewandert, als ein ziemlich ansehnliches Haus vor ihnen
stand, aber so recht mitten im dunklen Wald. Die Männer klopften an, es
wurde aufgetan, und neben den Männern schlüpfte auch der Hirtenknabe
mit hinein in das Haus. Drinnen öffnete sich wieder eine Türe, und
alle traten in ein großes, sehr spärlich erhelltes Zimmer, wo auf
dem Fußboden umher viele Strohbunde, Betten und Deckbetten lagen, die zum
Nachtlager der Männer bereit gehalten schienen. Der kleine Hirtenbub
verkroch sich schnell unter ein Häuflein Stroh, welches nahe an der
Türe aufgeschichtet war, und lauschte nun auf alles, was er nur aus seinem
Versteck hören und wahrnehmen konnte. Bald kam er dahinter, denn er war
ohnehin klug und aufgeweckt, dass diese Männerschar eine Räuberbande
sei, deren Hauptmann der Herr diese Hauses war. Dieser bestieg, als die neu
angelangten Mitglieder der Bande sich hingelagert hatten, eine etwas
erhöhten Sitz und sprach mit tiefer Bassstimme: "Meine braven
Genossen, tut mir Bericht von eurem heutigen Tagwerk, wo ihr eingebrochen seid,
und was ihr erbeutet habt!" Da richtete sich zuerst ein langer Mann mit
kohlschwarzem Bart empor, und antwortete: "Mein lieber Hauptmann, ich habe
heute früh einen reichen Edelmann seiner ledernen Hose beraubt, diese
hatte zwei Taschen, und so oft man sie unterst oberst kehrt und tüchtig
schüttelt, so oft fällt ein Häuflein Dukaten heraus auf den
Boden." - "Das klingt sehr gut!" sprach der Hauptmann. Ein
anderer der Männer trat auf, und berichtete: "Ich habe heute einem
General seinen dreieckigen Hut gestohlen; dieser Hut hat die Eigenschaft, wenn
man ihn auf dem Kopf dreht, dass unaufhörlich aus den drei Ecken
Schüsse knallen." - "Das lässt sich hören!"
sprach der Hauptmann wieder. Und ein dritter Mann richtete sich auf, und
sprach: "Ich habe einen Ritter seines Schwertes beraubt; so man dasselbe
mit der Spitze in die Erde stößt, ersteht augenblicklich ein
Regiment Soldaten." "Eine tapfere Tat!" belobte der Hauptmann.
Ein vierter Räuber erhob sich nun und begann: "Ich habe einem
schlafenden Reisenden seine Stiefel abgezogen, und wenn man diese anzieht, legt
man mit jedem Schritt sieben Meilen zurück." "Rasche Tat lobe
ich!" sprach der Hauptmann zufrieden, "hänget eure Betten an die
Wand, und dann esset und trinkt und schlafet wohl." Somit verließ er
das Schlafzimmer der Räuber; diese zechten noch waidlich und fielen dann
in festen Schlaf. Als alles stille und ruhig war, und die Männer allesamt
fest schliefen, machte sich der kleine Hirte hervor, zog die ledernen Hosen an,
setzte den Hut auf, gürtete das Schwert um, fuhr in die Stiefel und
schlich dann leise aus dem Haus. Draußen aber zeigten die Stiefel zur
Freude des Kleinen schon ihre Wunderkraft, und es währte gar nicht lange,
so schritt das Bürschchen zur großen Residenzstadt Spaniens hinein;
sie heißt Madrid.
Hier fragte er den Ersten Besten, der ihm aufstieß, nach dem
größten Gasthof, aber er erhielt zur antwort: "Kleiner Wicht,
geh' Du hin, wo Deines Gleichen einkehrt, und nicht, wo reiche Herren
speisen." Doch ein blankes Goldstück machte jenen gleich
höflicher, so dass er nun gerne der Führer des kleinen Hirten wurde,
und ihm den besten Gasthof zeigte. Dort angelangt, mietete der Jüngling
sogleich die schönsten Zimmer, und fragte freundlich seinen Wirt:
"Nun, wie steht es in eurer Stadt? Was gibt es hier Neues?" Der Wirt
zog ein langes Gesicht, und antwortete: "Herrlein, Ihr seid hier zu Lande
wohl fremd? Wie es scheint, habt Ihr noch nicht gehört, dass unser
König, Majestät, sich rüstet mit einem Heer von zwanzigtausend
Mann? Seht wir haben Feinde, mächtige Feinde, o es ist gar eine schlimme
Zeit! Herrlein, wollt Ihr auch etwa unter's Militär gehen?" -
"Freilich, freilich" sprach der zarte Jüngling, und sein Gesicht
glänzte vor Freud.
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