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Der
Müller und die Nixe
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 3 )
Es war einmal ein Müller, der war reich an Geld und Gut und führte
mit seiner Frau ein vergnügtes Leben. Aber Unglück kommt über
Nacht; der Müller wurde arm und konnte zuletzt kaum noch die Mühle,
in der er saß, sein eigen nennen. Da ging er am Tage voll Kummer umher,
und wenn er Abends sich niederlegte, fand er keine Ruhe, sondern verwachte die
ganze Nacht in traurigen Gedanken. Eines Morgens stand er früh vor Tage
auf und ging ins Freie; er dachte, es solle ihm leichter ums Herz werden. Als
er nun auf dem Damme an seinem Mühlteiche sorgenvoll auf und nieder ging,
hörte er auf einmal in dem Weiher rauschen, und als er hinsah, da stieg
eine weiße Frau daraus empor. Da erkannte er, dass es die Nixe des
Weihers sein müsse und vor großer Furcht wusste er nicht, ob er
davon gehen, oder stehen bleiben sollte. Indem er so zauderte, erhob die Nixe
ihre Stimme, nannte ihn bei Namen und fragte ihn, warum er so traurig
wäre? Als der Müller die freundlichen Worte hörte, fasste er
sich ein Herz und erzählte ihr, wie er sonst so reich und glücklich
gewesen wäre und jetzt sei er so arm, dass er sich vor Not und Sorgen
nicht zu raten wisse. Da redete ihm die Nixe mit tröstlichen Worten zu und
versprach ihm, sie wolle ihn noch reicher und glücklicher machen, als er
je gewesen sei, wenn er ihr dagegen das gebe, was eben in seinem Hause jung
geworden sei. Der Müller dachte, sie wolle ein Junges von seinem Hunde
oder seiner Katze haben, sagte ihr also zu, was sie verlangte und eilte guten
Mutes nach seiner Mühle. Aus der Haustür trat ihm seine Magd mit
freudiger Geberde entgegen und rief ihm zu, seine Frau habe soeben einen Knaben
geboren. Da stand nun der Müller und konnte sich über die Geburt
seines Kindes, die er noch nicht so früh erwartet hatte, nicht freuen.
Traurig ging er ins Haus und erzählte seiner Frau und seinen Verwandten,
die herbei kamen, was er der Nixe gelobet hatte. "Mag doch alles
Glück, das sie mir versprochen hat, versiegen", sprach er, "wenn
ich nur mein Kind retten kann." Aber Niemand wusste andern Rat, als dass
man das Kind sorgfältig in Acht nehmen müsse, damit es niemals dem
Weiher zu nahe käme.
Der Knabe wuchs fröhlich auf und unterdessen kam der Müller nach und
nach zu Geld und Gut, und es dauerte nicht lange, so war er reicher, als er je
gewesen war. Aber er konnte sich seines Glückes nicht recht freuen, da er
immer seines Gelübdes gedachte und fürchtete, die Nixe werde
über kurz oder lang auf die Erfüllung dringen. Aber Jahr um Jahr
verging, der Knabe wurde groß und lernte die Jägerei, und weil er
ein schmucker Jäger war, nahm ihn der Herr des Dorfes in seinen Dienst,
und der Jäger freite sich ein junges Weib und lebte friedlich und in
Freuden.
Einstmals verfolgte er auf der Jagd einen Hasen, der endlich auf das freie Feld
ausbog. Der Jäger setzte ihm eifrig nach und streckte ihn mit einem
Schusse nieder. Sogleich machte er sich ans Ausweiden und achtete nicht darauf,
dass er sich in der Nähe des Weihers befand, vor dem er sich von Kind auf
hatte hüten müssen. Mit dem Ausweiden war er bald fertig und ging nun
an das Wasser, um seine blutigen Hände zu waschen. Kaum hatte er sie in
den Weiher getaucht, als die Nixe emporstieg, ihn mit nassen Armen umfing und
ihn mit sich hinabzog, dass die Wellen über ihm zusammenschlugen.
Als der Jäger nicht heimkehrte, geriet seine Frau in große Angst,
und als man nach ihm suchte und am Mühlteich seine Jagdtasche liegen fand,
da zweifelten sie nicht mehr daran, wie es ihm ergangen sei. Ohne Rast und Ruhe
irrte sie an dem Weiher umher und rief wehklagend Tag und Nacht ihren Mann.
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