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Der
Müller und die Nixe
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 3 )
Endlich fiel sie vor Müdigkeit in einen Schlaf, darinnen es ihr
träumte, wie sie durch eine blühende Flur zu einer Hütte
wanderte, worin eine Zauberin wohnte, die ihr ihren Mann wieder zu schaffen
versprach. Als sie am Morgen wieder erwachte, beschloss sie der Eingebung zu
folgen und die Zauberin aufzusuchen. So wanderte sie aus und kam bald zu der
blühenden Flur und dann zu der Hütte, worin die Zauberin wohnte. Sie
erzählte ihren Kummer und dass ein Traum ihr Rat und Hilfe von ihr
versprochen habe. Die Zauberin gab ihr zum Bescheid: sie solle beim Vollmond an
den Weiher gehen und dort mit einem goldenen Kamme ihr schwarzes Haar
strählen und dann den Kamm ans Ufer legen. Die junge Jägerfrau
beschenkte die Zauberin reichlich und begab sich auf den Heimweg. Die Zeit bis
zum Vollmond verging ihr langsam; als es aber endlich Vollmond war, ging sie
zum Weiher und strählte sich mit einem goldenen Kamm ihre schwarzen Haare,
und als sie fertig war, legte sie den goldenen Kamm am Ufer nieder und sah dann
ungeduldig in das Wasser. Da rauschte es und brauste es aus der Tiefe und eine
Welle spülte den goldenen Kamm vom Ufer und es dauerte nicht lange, so
erhob ihr Mann den Kopf aus dem Wasser und sah sie traurig an. Aber bald kam
wiederum eine Welle gerauscht und der Kopf versank, ohne ein Wort gesprochen zu
haben. Der Weiher lag wieder ruhig wie zuvor und glänzte im Mondscheine
und die Jägerfrau war um nichts besser dran als vorher.
Trostlos durchwachte sie Tage und Nächte bis sie wieder ermüdet in
Schlaf sank und derselbe Traum, der sie an die Zauberin gewiesen hatte, wieder
über sie kam. Abermals ging sie am Morgen nach der blühenden Flur und
nach der Hütte und klagte der Zauberin ihr Kummer. Die Alte gab ihr zum
Bescheid: sie solle blasen und dann die Flöte an das Ufer legen. Als es
Vollmond geworden war, ging die Jägerfrau zum Weiher, blies auf einer
goldenen Flöte und legte sie dann ans Ufer und bald erhob der Jäger
den Kopf über das Wasser und tauchte immer höher empor, bis über
die Brust, und breitete seine Arme nach seiner Frau aus. Dann kam wieder eine
rauschende Welle und zog ihn in die Tiefe zurück. die Jägerfrau hatte
voller Freude und Hoffnung am Ufer gestanden und versank in tiefen Gram, als
sie ihren Mann im Wasser verschwinden sah.
Aber zum Troste erschien ihr wiederum der Traum, der sie zu der blühenden
Flur und zu der Hütte der Zauberin verwies. Die Alte gab diesmal den
Bescheid: sie solle, sobald es Vollmond sein werde, an den Weiher gehen, dort
auf einem goldnen Rädchen spinnen und dann das Rädchen ans Ufer
stellen. Als der Vollmond kam, befolgte die Jägerfrau das Geheiß,
ging an den Weiher, setzte sich nieder und spann auf einem goldnen Rädchen
und stellte dann das Rädchen ans Ufer. Da rauschte es und brauste es aus
der Tiefe und eine Welle spülte das goldnen Rad vom Ufer, und bald erhob
der Jäger den kopf über das Wasser und tauchte immer höher
empor, bis er endlich an das Ufer stieg und seiner Frau um den Hals fiel. Da
fing das Wasser an zu rauschen und zu brausen und überschwemmte das Ufer
weit und breit und riss beide, wie sie sich umfasst hielten, mit sich hinab. In
ihrer Herzensangst rief die Jägerin den Beistand der Alten an und auf
einmal war die Jägerin in eine Kröte und der Jäger in einen
Frosch verwandelt. Aber sie konnten nicht beisammen bleiben, das Wasser riss
sie nach verschiedenen Seiten hin, und als die Überschwemmung vergangen
war, da waren zwar beide wieder zu Menschen geworden, aber der Jäger und
die Jägerin waren jedes in einer fremden Gegend und sie wussten nichts von
einander.
Der Jäger entschloss sich als Schäfer zu leben, und auch die
Jägerin ward eine Schäferin. So hüteten sie lange Jahre ihre
Herden, eines vom andern entfernt.
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