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Die
Störche
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 1 ( von 3 )
Auf dem letzten Hause in einem kleinen Dorfe stand ein Storchennest. Die
Storchenmutter saß im Neste bei ihren vier kleinen Jungen, welche den
Kopf mit dem kleinen schwarzen Schnabel, denn der war noch nicht rot geworden,
hervorstreckten. Ein kleines Stück davon entfernt stand auf dem
Dachrücken ganz stramm und steif der Storchenvater; er hatte das eine Bein
unter sich aufgezogen, um doch einige Mühe zu haben, während er
Schildwache stand. Fast hätte man glauben mögen, dass er aus Holz
geschnitzt sei, so still stand er. "Es sieht gewiss recht vornehm aus,
dass meine Frau eine Schildwache beim Neste hat!" dachte er. "Sie
können ja nicht wissen, dass ich ihr Mann bin, sie glauben sicher, dass
mir befohlen worden ist, hier zu stehen. Das sieht recht vornehm aus!" Und
er fuhr fort auf seinem Beine zu stehen.
Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder, und da sie die
Störche gewahr wurden, sang einer der mutigsten Knaben und später
alle zusammen den alten Vers von den Störchen!
"Storch, Storch, fliege heim,
Stehe nicht auf einem Bein,
Deine Frau im Neste liegt,
Wo sie ihre Jungen wiegt.
Das eine wird gehängt,
Das andre wird versengt,
Das dritte man erschießt,
Wenn man das vierte spießt!"
"Höre nur, was die Kinder singen!" sagten die kleinen
Storchenkinder. "Sie singen, wir sollen gehängt und versengt
werden!" "Darum sollt ihr euch nicht kümmern!" sagte die
Storchenmutter. "Hört nur nicht darauf, so schadet es gar
nichts!"
Aber die Knaben fuhren fort zu singen, und sie zischten den Storch mit den
Fingern aus; nur ein Knabe, welcher Peter hieß, sagte, dass es Unrecht
sei, die Tiere zum Besten zu haben, und wollte auch gar nicht mit dabei sein.
Die Storchenmutter tröstete ihre Jungen. "Kümmert euch nicht
darum", sagte sie; "Seht nur, wie ruhig euer Vater steht, und zwar
auf einem Beine!"
"Wir fürchten uns sehr!" sagten die Jungen und zogen die
Köpfe tief in das Nest zurück.
Am nächsten Tage, als die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die
Störche erblickten, sangen sie ihr Lied:
"Das eine wird gehängt,
Das andre wird versengt"-
"Werden wir wohl gehängt und versengt werden?" fragten die
jungen Störche.
"Nein, sicher nicht!" sagte die Mutter. "Ihr sollt fliegen
lernen, ich werde euch schon einüben, dann fliegen wir hinaus auf die
Wiese und statten den Fröschen Besuch ab, die verneigen sich vor uns im
Wasser, singen: "Koax, koax!" und dann essen wir sie auf. Das wird
ein rechtes Vergnügen geben!"
"Und was dann?" fragten die Storchjungen.
"Dann versammeln sich alle Störche, die hier im ganzen Lande sind,
und die Herbstübung beginnt. Da muss man gut fliegen, das ist von
großer Wichtigkeit; denn wer da nicht ordentlich fliegen kann, wird vom
Obersten mit dem Schnabel tot gestochen; deshalb gebt wohl Acht, etwas zu
lernen, wenn das Üben anfängt!"
"So werden wir ja doch gespießt, wie die Knaben sagten, und
hört nur, jetzt singen sie es wieder!"
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