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Der standhafte
Zinnsoldat
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 2 ( von 3 )
Er streckte das Bein gerade in die Höhe und blieb auf dem Tschako mit dem
Bajonnet abwärts zwischen den Pflastersteinen stecken.
Das Dienstmädchen und der kleine Knabe kamen sogleich hinunter, um zu
suchen, aber obgleich sie nahe daran waren, auf ihn zu treten, so konnten sie
ihn doch nicht erblicken. Hätte der Zinnsoldat gerufen. Hier bin ich! so
hätten sie ihn wohl gefunden, aber er fand es nicht passend, laut zu
schreien, weil er in Uniform war.
Nun fing es an zu regnen; die Tropfen fielen immer dichter, es war ein
ordentlicher Platzregen; als derselbe zu Ende war, kamen zwei
Straßenjungen vorbei.
"Sieh Du!" sagte der eine, "da liegt ein Zinnsoldat! Der soll
hinaus und segeln!"
Sie machten ein Boot von einer Zeitung, setzten den Soldaten mitten in
dasselbe, und nun segelte er den Rinnstein hinunter; beide Knaben liefen neben
her und klatschten in die Hände. Was schlugen da für Wellen in dem
Rinnstein und welcher Strom war da! Ja, der Regen hatte aber auch
geströmt. Das Papierboot schaukelte auf und nieder, mitunter drehte es
sich so geschwind, dass der Zinnsoldat bebte; aber er blieb standhaft, verzog
keine Miene, sah gerade aus und hielt das Gewehr im Arm.
Mit einem Mal trieb das Boot unter eine lange Rinnsteinbrücke; da wurde es
gerade so dunkel, als wäre er in seiner Schachtel.
"Wohin mag ich nun kommen?" dachte er. "Ja, ja, das ist des
Kobolds Schuld! Ach säße doch das kleine Mädchen hier im Boote,
da möchte es meinetwegen noch einmal so dunkel sein!"
Da kam plötzlich eine große Wasserratte, welche unter der
Rinnsteinbrücke wohnte.
"Hast du einen Pass?" fragte die Ratte. "Her mit dem
Passe!" Aber der Zinnsoldat schwieg still und hielt das Gewehr noch
fester.
Das Boot fuhr davon und die Ratte hinterher. Hu! wie fletschte sie die
Zähne und rief den Holzspänen und dem Stroh zu : "Halt auf! halt
auf! Er hat keinen Zoll bezahlt; er hat den Pass nicht gezeigt!"
Aber die Strömung wurde stärker und stärker! Der Zinnsoldat
konnte schon da, wo das Brett aufhörte, den hellen Tag erblicken, aber er
hörte auch einen brausenden Ton, der schon einen tapferen Mann erschrecken
konnte; denkt nur, der Rinnstein stürzte, wo die Brücke endete,
gerade hinaus in einen großen Kanal; das würde für ihn ebenso
gefährlich gewesen sein, als für uns, einen großen Wasserfall
hinunterzufahren.
Nun war er schon so nahe dabei, dass er nicht mehr anhalten konnte. Das Boot
fuhr hinaus, der arme Zinnsoldat hielt sich, so steif er konnte, Niemand sollte
ihm nachsagen, dass er mit den Augen blinkte. Das Boot schnurrte drei-, viermal
herum und war bis zum Rande mit Wasser gefüllt, es musste sinken. Der
Zinnsoldat stand bis zum Halse in Wasser, und tiefer und tiefer sank das Boot,
mehr und mehr löste das Papier sich auf; nun ging das Wasser über des
Soldaten Kopf. Da dachte er an die kleine niedliche Tänzerin, die er nie
mehr zu Gesicht bekommen sollte, und es klang vor des Zinnsoldaten Ohren:
"Fahre, fahre Kriegsmann!
Den Tod musst du erleiden!"
Nun ging das Papier entzwei und der Zinnsoldat stürzte hindurch, wurde
aber augenblicklich von einem großen Fisch verschlungen.
Wie war es dunkel da drinnen! Da war es noch schlimmer als unter der
Rinnsteinbrücke, und dann war es sehr eng; aber der Zinnsoldat war
standhaft und lag so lang er war, mit dem Gewehre im Arm.
Der Fisch fuhr umher, er machte die allerschrecklichsten Bewegungen; endlich
wurde er ganz still, es fuhr wie ein Blitzstrahl durch ihn hin.
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